Meine Tochter liebt das Universum. Sie weiß, wie alle (bekannten) Planeten heißen, versteht, wie Sterne entstehen und dass es echt viel gibt, was der Mensch noch nicht über das Weltall weiß. Seitdem sie drei Jahre war, ist sie fasziniert vom Sternenhimmel, beobachtet den Mond und hat einen klaren Traumberuf: Erfinderin. Das fasst sie bewusst so allgemein, da sie noch nicht sicher ist, ob sie Raumfahrerin, Medizinerin oder was anderes werden möchte.
Doch egal was es am Ende wird (oder auch nicht), sie glaubt, dass sie all das schaffen kann. Bis vor kurzem. Als sie neulich nach Hause kam, war sie merklich stiller. Sie braucht immer etwas, bis sie über ihre Gedanken und Gefühle reden kann und so sagte sie am Abend nur kurz und knapp:
Traumjob verloren.
Als ich sie ins Bett brachte, kam es aus ihr raus. Ein Junge hat ihr gesagt, dass sie niemals Erfinderin werden kann. Zum einen sei sie zu dumm, zum anderen sei dieser Beruf nichts für Mädchen. Und so saß ich neben meiner traurigen Tochter und sie fragte mich: Mama, was können Mädchen denn arbeiten, wenn nicht Erfinderin?
Sie zweifelte nicht an ihrer Intelligenz und ihrem Wissen. Sie zweifelte daran, was Frauen sein dürfen – oder auch nicht. Ein Satz, der ihr Weltbild merklich ins Wanken brachte und mich als Mutter vor eine neue Herausforderung stellte:
- Wie gehe ich damit um?
- Wie kann ich meine Tochter bestärken?
- Was kann ich tun, um ihr zu zeigen, dass Frauen genauso alles sein und werden dürfen wie es Männer immer tun?
Die Feministin in mir wollte sofort eine flammende Rede über Gleichberechtigung und Chancengleichheit halten.
Die Mutter in mir wollte sich augenblicklich vor ihr Kind werfen und diesem Jungen mal ein paar Takte erzählen.
Die Beschützerin in mir hat vielleicht kurz darüber nachgedacht, ob Schubsen eine angemessene Reaktion wäre. (Spoiler: Ist sie nicht!)
Mein inneres Kind saß wohl einfach nur nickend da und fühlte sich an ihre Kindheit erinnert.
All diese Rollen in mir, all diese Gedanken um mein Kind. Doch es ist nicht meine Aufgabe, dem Jungen die Augen zu öffnen und ihn im Zweifel sogar einzuschüchtern. Es ist nicht meine Aufgabe, flammende Reden zu halten, die mein Kind (noch) nicht versteht.
Und mit diesen Gedankenspielen kam ich ins Grübeln, wer denn hier welche Aufgabe in diesem Konstrukt hat. Denn nicht nur ich als Mutter eines Mädchens habe eine Aufgabe, wenn es darum geht, unsere Kinder zu gleichberechtigten Erwachsenen werden zu lassen.
Was ist die Aufgabe der Eltern?
Es ist nicht nur die Aufgabe der Eltern von Mädchen, ihre Töchter zu befähigen und zu bekräftigen, dass sie alles werden und sein dürfen. Es ist genauso die Aufgabe der Eltern von Jungen, dass sie wissen, dass Mädchen gleich auf mit ihnen sein können und sollen. Dass sie Mädchen nicht aufgrund ihres Geschlechts hinterfragen und schwächer ansehen. Gleichberechtigung fängt nicht nur da an, wo wir als Eltern von Mädchen unseren Töchtern erzählen, dass sie stark und unabhängig sind. Sie beginnt ebenso bei den Eltern von Jungen, dass diese ihre Söhne lehren, dass Mädchen genauso viel Wert sind und schaffen, wie sie. Es ist egal, welches Geschlecht unsere Kinder haben: Wir als Eltern müssen voran schreiten.
Denn Unterschiede werden bei Kindern schon im Babyalter gemacht. Jungen sind langsamer in diesen Dingen, Mädchen sind schwächer in anderen Dingen. Schon früh trösten oder unterstützen sich Eltern mit Aussagen, dass ihr Kind eben so langsam/schnell/stark/schwach ist, weil es ein Mädchen oder Junge ist. Und ehe wir uns versehen, zieht das in unseren Köpfen ein, setzt sich in unserer Sprache fest und wird so auf unsere Kinder übertragen. Egal ob durch Worte, Vorleben oder Strukturen im Umfeld.
Ich sehe meine Aufgabe! Meine Aufgabe ist es, dass ich meine Tochter nun unterstütze, ihren Traumjob wiederzufinden und ihr zu zeigen, dass sie genau das werden kann, was sie möchte. Egal, ob andere Menschen anderer Meinung sind.
Ich erkenne an, dass ich sie aufbaue, motiviere und inspiriere. In dem, was ich sage, ihr zeige, aber auch in dem, was ich ihr vorlebe.
Es macht mir Angst!
Aber ich habe an diesem kleinen Beispiel auch gesehen, wie groß diese Aufgabe ist – Für alle Eltern. Denn Gleichberechtigung lernen Kinder nicht erst in der Schule kennen, in der Ausbildung oder später im Job. Sie lernen nicht erst über Chancengleichheit, wenn es sie direkt betrifft und ihr Einkommen, ihr Abschluss oder ihre Altersvorsorge davon abhängt. Das sind die Ergebnisse dessen.
Kinder lernen Gleichberechtigung, Chancengleichheit und mehr von uns. Durch das, was wir sagen, vorleben und zeigen. Und da haben alle Eltern – egal ob von Jungen oder Mädchen – ihre Hausaufgaben zu machen.
Und ich mache kein Geheimnis daraus, dass diese Aufgabe enorm groß ist. Doch ob ihrer Größe sind wir nicht davor gefeit, sie anzupacken.
Na dann, wa?
Liebe Bella,
ich danke dir von Herzen für diese Worte. Sie treffen so sehr, was uns begleitet und bewegt.
Unser Kind hat große Pläne und ich wünsche uns, dass sie über die Zweifel anderer erhaben ist, weil wir es so leben.
Es ist so schwierig zu sehen, in wievielen Köpfen noch keine Gleichberechtigung herrscht und die Geschlechtszugehörigkeit andere Eigenschaften und Fähigkeiten begründet. Es wäre schön, wenn spätestens unsere Kinder diesen Denkweise ablegen können, aber das ist ein langer Weg…
Oh I feel you. Wir haben einen Sohn und unser Sohn hat zwei Mütter und natürlich achten wir sehr darauf, dass es diese Unterscheidung nicht gibt. Bei uns zu Hause gibt es sie nicht. Dann kommt das Außen, die Begegnung mit den Söhnen anderer Eltern und mein Kind, der mir eben noch von Baggerfahrerinnen und Feuerwehrfrauen erzählt hat, erklärt mir welche Farben für Jungen und Mädchen sind und welchen Sport Mädchen machen dürfen und welchen nicht. Ich könnte kotzen. All das kommt nicht von uns. Wir werden aber weiter machen, denn wenn ich trotzdem an Punkt 1 des Weihnachtswunschzettels die Playmobil Feenwelt sehe, weiß ich: Irgendwie bleibt es doch hängen. Liebe Grüße an deine Erfinderin