Vorweg: Ich beschreibe in diesem Artikel unseren Umgang mit Ängsten von Eltern, deren Kinder eine Diagnose bekommen haben. Generell lässt sich das aber auch übertragen und Hilfe geben, wenn es um einen Elternteil, Familienmitglied oder anderes geht. Denn Ängste als Eltern bzw. in Familien gibt es leider zu oft. Trotzdem rate ich allen Betroffenen, sich Hife zu holen, wenn Ängste zu groß werden.
Auf meinen letzten Artikel für/über Eltern in Krisen, wenn das Kind schwer krank ist, kamen so viele Rückmeldungen. Danke dafür, das war mehr als überwältigend. Ihr habt mir gezeigt, dass euch diese Texte wirklich helfen. Und das bestärkt mich, weiterzuschreiben. Über das, was ich durchgemacht habe und wie ich bzw. wir als Familie damit umgehen. Und ein großer Teil dessen ist auch der Umgang mit elterlichen Ängsten.
Ick wohn‘ jetzt auch hier: Ängste bleiben
Sie ist ein Begleiter, der sich seitdem vor allem bei mir eingeschlichen hat: Angst. Sie hat viele Gesichter. Manchmal lässt sie mein Herz schneller schlagen und ist in meinem Gesicht erkennbar. Aber oft ist sie ruhig, in mir. Ich spüre sie in meinem Blick, mit dem ich jeden Morgen mein Kind mustere. Ich merke sie, wenn ich mich schwerer als üblich losreissen kann. Denn es könnte ja was sein. Ich spüre sie schlagartig hochkommen, wenn mein Telefon klingelt. Ich sehe sie, wenn ich an meinem Spiegelbild vorbei laufe. Ich halte sie, wenn ich die Hände meiner Kinder immer ein bisschen fester drücke als vielleicht andere es tun würden.
Was ich damit sagen will? Mit der Sekunde der Diagnose war sie da. Und viele Eltern prophezeiten mir, dass diese Angst nicht mehr gehen wird. Denn sie ist speziell. Sie ist konkreter, weil diese Form der Angst ein Gesicht hat. Ich kann sie benennen und sie kann eine so große Panik in mir auslösen, dass es mich verrückt macht. Aber weil ich weiß, dass diese Angst nun mein stetiger Begleiter sein wird, muss ich lernen, mit ihr umzugehen.
Wie? Hier werden nun wohl viele Tipps erwartet, was gegen diese existenzielle Angst gemacht werden kann. Wenn ich das wüsste, würde sie wohl nicht immer wieder leise anklopfen oder von hinten rabiat zuschlagen. Ich bin keine Psychologin, ich kann keine TOP5 Tipps geben und alles ist gut. Denn es wird nicht immer gut sein, es gibt Höhen und Tiefen. Aber ich kann aufschreiben, wie ich diese Angst angenommen haben.
Mein Weg mit der Angst
Annehmen, der wohl schwierigste und auch wichtigste Schritt – gerade wenn absehbar ist, dass dieser Weg nicht (so schnell) endet. Mir hat geholfen, zu realisieren, wann meine Ängste im Alltag kommen. Zum Beispiel habe ich spürbar Angst, wenn ich wegfahre und damit keine „Kontrolle“ habe. Dann spüre ich diese Unsicherheit im Bauch und den Kloß im Hals. Oder ich bin ein bisschen wachsamer, wenn mein Kind fiebert oder auch nur schnieft. Ich kenne meine Momente, die mir Angst machen. Davon gehen sie nicht weg, aber ich gehe anders mit ihnen um.
Angst kann lähmen, vor allem wenn sie riesig erscheint. Ich habe mir unbewusst die Macht der kleinen Schritte angewöhnt. Denn das große Ganze – in unserem Fall die Diagnose und Behandlungen mit allen Folgen – sind unüberschaubar in Gänze. Ich habe sie runtergebrochen und damit gelernt, den Fokus eher im Hier und Jetzt zu haben. Wie ich das meine? Wenn wir zum Beispiel bis Freitag auf eine Auswertung einer Untersuchung warten müssten, dann wäre ich bis Donnerstagabend entspannt. Denn ich kann in diesem Moment NICHTS tun, was die Situation verändert. Die Angst würde mich also jetzt nur lähmen, aber nicht vorantreiben. Wenn wir dann Freitag die Auswertung und den weiteren Fahrplan bekommen häten, dächte ich im nächsten kleinen Schritt… zur OP, zur Behandlung, zur nächsten Untersuchung. Ähnlich wie Nicole Staudinger es beschreibt:
Den Berg besteigen, wenn er da ist.
Nicole Staudinger, in „Stehaufqueen“
Solche Gespräche, wie das mit deiner Tochter, über deine Angst um sie, da denkt man sich doch immer wieder, was für schlaue, tolle kleine Wesen das sind.
Vielen Dank für das Teilen deiner Erlebnisse!
„Denken Sie groß“ von Deichkind war mein Anker, als Hirnfehlbildungen und Behinderung im Raum stand. Viele Wege zum und vom Krankenhaus. Heute erinnert mich das Lied an eine ungewisse, angsterfüllte Zeit. Und auch wenn viele „schlimme“ Vermutungen eingetreten sind, ist dieses Lied immer noch der Reminder, dass man so eine Zeit schafft und auch jetzt noch groß denken sollte! Und das wohl auch unser Kind verinnerlicht hat
Das ist ein sehr wertvoller Text. Vielen Dank für Deine ehrlichen Worte. Ich kenne diese Ängste auch…. und ich kann aus Deinem Text auch noch was lernen. Ich wünsche Dir und Deiner Familie von Herzen alles Liebe und Gute.
Danke für den wertvolleb Text. Ich habe mich an einigen Stellen wiedererkannt und aus anderen kann ich etwas für die nächste Phase der Angst mitnehmen.