„Hallo Ich“ ODER auch: Achtsamkeit als Mutter

20. August 2018
familieberlin
Gedanken | Mamasein | Top

„Mir ist deine Ich-Zentriertheit nicht entgangen… und dein Strahlen“.

Was sich erst als vermeintliche Kritik des Mannes tarnte, entpuppte sich schnell als gegenteilig. Und vor allem gab sie meinem inneren Prozess, der sich vor einiger Zeit langsam anschlich, immer breiter machte und der mich am Ende so veränderte einen Namen: Ich-Zentriertheit. Ein Name, den man falsch auffassen könnte, ich es aber nicht tat. Denn er traf den Nagel auf den Kopf: Es geht gerade viel um mich. Damit meine ich keine Midlife-Crisis und durchtanzte Partynächte, keine Wochen ohne Kinder oder sich türmende Arbeit, weil ich lieber rumliege und TV schaue.

Ich-Zentriertheit stellt jemanden in den Mittelpunkt, der lange am Rande agierte: Mich. Aber es ist nicht irgendein Mittelpunkt, es ist nicht das Zentrum aller in der Familie. Der Mittelpunkt, in den ich mich seit einiger Zeit stelle, ist mein eigener. Ich stehe quasi vor mir und sehe mich seit Wochen, Monaten, wenn nicht sogar Jahren erstmals wieder selbst. Müde bin ich geworden, doch welche Mama ist das nicht? Ich sehe mir an, dass ich nicht mehr Mitte 20 bin, ebenso wie den mangelnden Sport und das vergessene Eincremen am Morgen. Die Zeit hinterlässt Spuren, doch nicht zum Positiven. Wird es nicht eher Zeit, auch mal wieder positive Zeichen der Zeit zu hinterlassen? Wo sind die Lachfalten, das Strahlen und die Lebensfreude? All das, was man auch sehen könnte – wenn man darauf achtet. Denn da, genau da, ich sehe es.

Der Trend: Achtsamkeit als Mutter?

Über die Ursachen mag man munkeln. Warum legen so viele Frauen, vor allem Mütter, immer mehr Wert auf sich? Selfcare, Achtsamkeit, der Weg zu deiner inneren Mitte: Begrifflichkeiten gibt es viele und man findet sie nahezu alle auf den gängigen Lifestyle-Magazinen. Auch Elternmagazine titeln mit ähnlichen Bewegungen und schieben es auf die wachsenden Anforderungen an Mütter: Vereinbarkeit, Job, Haushalt, Familie. Der Tag hat nur 24 Stunden und die Aufgaben reichen locker für 48 Stunden pro Tag. Wie oft saß ich selbst abends da und dachte mir: Warum sind am Ende des Tages noch so viel Aufgaben übrig? Ich kann nicht für andere Mütter sprechen, noch stecke ich in den Köpfen von Verlegern oder Autoren. Ich spreche für mich, für meine Ich-Zentriertheit.

Ein Nachmittag im März

Ich kann sagen, warum ich mich wieder wichtiger nahm. Ich könnte euch sogar das Datum sagen, vielleicht sogar die Uhrzeit. Doch belassen wir es bei einem Tag im März. Ein Tag, der normal begann und an dem ich merkte, dass ich immer schwächer wurde. So schwach, dass ich mir am liebsten selbst meine Mama her wünschte, die meine Stirn fühlte. Doch die war nicht da, genauer gesagt nicht mal auf dem gleichen Kontinent wie ich. Ich musste mir also selbst die Stirn fühlen, Fieber messen und einen Schreck kriegen: 40,1 ist keine Temperatur für eine Mutter, die gerade mit ihren Kindern nahezu alleine funktionieren muss. Und in diesem Gedanken lag der Fehler, der sich mir später offenbarte: Niemand soll nur funktionieren. Auch nicht unter großer Belastung. Seit Monaten schleppte ich mich mit Erkältungen und Infekten durch die Gegend, gönnte mir keine Pause und viele Aufgaben.

Kurz: Mein Körper versagte kurzzeitig und zeigte mir damit, wer hier wohl seit einiger Zeit zu kurz kam: Ich!

Ich schleppte mich also zum Supermarkt, kaufte Brot, Fertiggerichte und beschäftigte die Kinder einen Nachmittag mit Net***, Snacks und Büchern, bis mein Mann mit dem letzten Flieger heimkam. Ich verkroch mich drei Tage im Bett und ließ den Alltag vor der Schlafzimmertür. Mein Körper war so recht schnell wiederhergestellt, mein Kopf nicht.

Was war das? Warum sind meine Kräfte nicht endlos? Und überhaupt, wie soll das funktionieren?

Umdenken, wenn der Körper schlapp macht

Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass auch das stärkste Glied der Kette einmal eine Pause braucht. Mit viel reisendem Mann, in der Zeit häufig kranken Kindern und einem neu startenden Business war mein Körper derjenige mit den wenigsten Pausen. Jeder Schnupfen wurde im Keim mit Ingwer und Vitaminen bekämpft, Husten und Co einfach ausgehalten, so lange es ging oder mit Medikamenten ruhiggestellt. Doch was mir mein Körper eigentlich sagen wollte: Mach ma‘ Pause. Bis spät abends am Schreibtisch, ein stets voller Kopf, kaum Ausgleich, keine Zeit, in der es sich mal um mich dreht. Das schlaucht. Die Frage nach dem Warum war also schnell beantwortet.

Ich-Zentriertheit, Achtsamkeit oder Egoismus?

Was sich aber dann stellte: Wie bekomme ich in meinem vollen Alltag noch etwas „Ich“ unter? Wie besinne ich mich auf mich und vor allem: Darf ich das? Kann ich mich mal herausnehmen oder lasse ich meine Familie damit im Stich. Richtig, es liest sich dramatischer, als es war. Denn es geht nicht darum, wochenlang auszubrechen, einen Monat in ein indisches Ashram oder als Rockstar durch die USA zu reisen. Ich brauchte Auszeiten im Alltag, regelmäßig. Es geht eben nicht mehr um ein heißes Bad alle paar Wochen oder einen unregelmäßigen Besuch im Yoga-Studio. Es geht darum, täglich ein bisschen mehr „Ich“ in mein Leben zu bringen, um genau das nicht zu vergessen: Mich. Und ja, das darf ich. Es ist nicht schlimm, auch mal an sich zu denken. Denn die Zeit, die nicht meine Zeit war, ist vorüber.

„Ich kann gerade nicht, bitte mach du das“, kann ich auch meinem Partner sagen.
„Kannst du bitte am Nachmittag die Kinder nehmen?“, darf ich ruhig häufiger die Großeltern fragen.
„Ich bin müde, wollen wir lieber statt toben zusammen Bücher anschauen?“, darf ich nun meinen Kindern vorschlagen und sie verstehen es.

Ich darf auch mal Nein sagen, auch zu meinen Kindern – solange sie es verstehen und ich es angemessen und passend formuliere. Nein zum Essen sollte ich nicht sagen, aber warum nicht Ja zu einer Pizza und Hörspielen? Doch noch wichtiger als ein Nein zu anderen, war ein Ja zu mir. Doch wie mache ich das?

Achtsame Mütter, aber wie?

Ok, Nein zu anderen und Ja zu sich sagen, ist das eine. Aber wozu will ich bitte Ja sagen und vor allem: Wann? Mein Tag beginnt dank munterer Kinder bereits vor 6 Uhr und endet selten vor 23:30 Uhr müde am Schreibtisch. Ich arbeite oder ich bin Mutter. Abends gerne beides zusammen, denn die Kinder schlafen selten vor 21:30 Uhr oder später ein, so dass ich zwischen Schreibtisch und Kinderzimmer wechsle. Ach und war da nicht auch noch der Haushalt? Die Wäscheberge sorgen bald dafür, dass wir die Wohnung über uns mieten müssten, um ihre Höhe zu meistern und die Spülmaschine kriegt bald als drittes Kind den Jungennamen, den ich für alle Fälle bei den Mädels in petto hatte. Mein Tag hat 24 Stunden, aber für mich war darin keine Zeit.

Oder doch? Denn ihr erinnert euch an die Worte meines Mannes:

„Mir ist deine Ich-Zentriertheit nicht entgangen… und dein Strahlen“.

Das ist das Ergebnis meiner körperlichen Warnung und meines Richtungswechsels. Wie ich nach und nach zu diesem Strahlen komme, werde ich regelmäßig berichten.

Weitere Beiträge der Reihe:
Teil 1: Hallo Ich – Achtsamkeit als Mutter?
Teil 2: Finde deine Alltagsfallen
Teil 3: Ein neuer Alltag muss her

1 Kommentar

  1. Liebe Bella,

    ich bin sehr froh dass ich hier lesen kann, dass es dir besser geht. Es ist aber auch wirklich nicht leicht. Der schleichende Prozess bei dem wir uns letztlich ganz verlieren. Und dann der Wandel bis wir uns wieder finden. Und vor allem, wie du richtig sagst, die Frage danach: was sind eigentlich meine Bedürfnisse? Wer bin ich eigentlich noch? Ich bin sehr gespannt auf weitere Artikel und freue mich über dich im Zentrum ;)

    Ich drück dich mal aus der Ferne ❤️

    Antworten

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