Lahmgelegt: wenn Erzieher streiken

10. März 2015
familieberlin
Baby | Familienleben

Ich bin kein Freund von Streiks. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: ich hasse Streiks. Ich hasse es, wenn die Bahn streikt und die Verbindungen noch mieser sind als sonst. Ich hasse es, wenn wir um unseren  langersehnten, ersparten Urlaub bangen müssen, weil Piloten meinen, sie bekämen zu wenig Geld oder dürfen nicht mit 55 in Rente. (Buhuuu…) Ich hasse es, wenn wir spontan Pläne ändern müssen, weil Bahn oder Flieger stehen bleiben. Morgen sind wir wieder vom Streik betroffen. Direkt, denn unser Kindergarten hat zu, die KiTas in öffentlicher Hand streiken. Zum ersten Mal hege ich jedoch keinen Groll gegen die Streikenden. In Gegenteil, gern würde ich mich mit dazu stellen und streiken. Geht aber nicht, denn ich bin ja mit miniberlin daheim.

Streik, Kindergarten, Geschlossen, Gewerkschaft, Erzieher streiken

Ich habe vom ersten Moment in der KiTa gemerkt, dass die Erzieherinnen einen tollen Job machen. In der Eingewöhnung hat man als Elternteil die Möglichkeit, Kinder und Erzieher in Aktion und vor allem Interaktion zu sehen. Wie sie auf die Kinder eingehen, Streit schlichten, spielen, singen und auch erziehen. Die Kinder sind happy. Miniberlin liebt ihren Kindergarten, sie strahlt morgens alle an und verbringt dort gern ihren Tag. Mal abgesehen davon, dass ich dann als berufstätige Mama ein besseres Gefühl habe, zeigt es auch, wieviel Mühe die Erzieherinnen sich geben. Denn miniberlin hasste die Anfänge.

Ihr Job ist hart

Seit einer Woche bereitet uns die KiTa auf den Streik vor. Erst hieß es, nur einige Erzieherinnen streiken, dann 50 % und seit heut Morgen wissen wir: nahezu alle gehen morgen auf die Straße. Nur eine kleine Notbetreuung bleibt. Überall im Kindergarten hängen Plakate und Poster mit ihren Forderungen, um zu zeigen, warum sie rebellieren. Mir haben die Plakate gezeigt, dass dieser Job nicht nur anstrengend ist, sondern auch unangemessen bezahlt wird. Durchschnittlich bekommen sie zwischen 2300 und 2600 Euro (Quelle: Spiegel), brutto in Vollzeit. Sie setzen sich aber nicht morgens an den Schreibtisch und stehen nur bei dringenden Bedürfnissen ihrerseits auf. Sie richten ihren kompletten Arbeitstag nach den Bedürfnissen unserer Kinder aus. Sie heben sie hoch, sie tragen sie rum, sie wickeln sie, füttern, wiegen, spielen, tanzen. Ja sie krabbeln sogar mit ihnen auf dem Boden. Ich muss niemandem erzählen, dass all das anstrengend sein kann…mit unseren eigenen Kindern. Aber durchschnittlich 12 Kinder in einer Gruppe zu haben, die sie durchaus auch mehrere Stunden allein betreuen! Für dieses Geld würden manche noch nicht einmal morgens aufstehen. Das klingt hart, aber ist wahr. Ich weiß selbst nicht, ob ich diesen kräftezehrenden Job für das Geld machen würde. Denn was man auch nicht vergessen darf: deine eigenen Launen haben in der Spatzen-Schnecken-Piraten-Gruppe nichts zu suchen. Den Einjährigen ist es egal, ob deine Nacht schlecht war, du mitten in einer Trennung steckst oder dein Rücken schmerzt. Nicht aus Egoismus versteht sich. Im Büro kannst du die Tür schließen, das Telefon umleiten, Kopfhörer aufsetzen. Im Kindergarten nicht.

Erzieher haben eine riesige Verantwortung

Mal abgesehen davon, dass die Erzieher in miniberlins Kita, und sicher in jeder anderen auch, enorm viel leisten: die Jüngsten sind sie nicht mehr. Wir erinnern uns…sie kriechen und krabbeln mit den Kleinen um die Wette. Aber Nachwuchs sehe ich keinen, also bis auf die wuselnden Kleinkinder um ihre Beine. Ich erinnere mich an mehrere KiTa-Führungen, bei denen die Leitung in einem Halbsatz fallen ließ „Und wer sich gern umschulen lassen will, wir suchen händeringend Erzieher und nehmen jeden.“ Wer möchte denn auch für ein Einstiegsgehalt von knapp 2200 Euro brutto schwer arbeiten? Ja, es gibt schlechter bezahlte Jobs und ich wiederhole hier auch nicht nochmal die Strapazen die mit den Aufgaben einher gehen, denn es gibt auch anstrengendere Jobs. Aber ein wichtiger Punkt liegt mir noch auf der Seele: Die (zumeist) Damen haben nicht nur viel zu tun, sie haben auch eine riesen Verantwortung. WIR GEBEN IHNEN UNSERE KINDER. Wir erwarten nicht nur, dass ihre Grundbedürfnisse gestillt werden und wir am Nachmittag ein sattes und sauberes Kind abholen können. Unsere Kinder sind neugierig, sie entwickeln sich, sie wachsen. Kinder lernen nicht nur allein und voneinander, sie brauchen auch eine erwachsene Bezugsperson. Bei einem Großteil des Tages im Kindergarten sind das nun mal unsere Erzieherinnen. Auch wenn sie in meinen Augen nicht mehr „streng erziehen“ sondern begleiten. Sie begleiten mein Kind beim Lernen, sie haben einen großen Anteil daran, miniberlin aufs Leben vorzubereiten. Sie vermitteln Werte, Sei es durch Spiele, Musik, Bewegung oder auch klare Regeln. Und verdammte Hacke, das alles machen sie für nur 2300-2600 Euro im Monat. Also, streikt und pfeift was das Zeug hält morgen.

Liebe Grüße
eure Bella

6 Kommentare

  1. Endlich bin ich mal zum Lesen gekommen. Super Post! Wir haben zum Glück viele junge Erzieher und auch Männer. Aber ich bin auch jung und morgens nach 10 Minuten in der Krabbel-Kreisch-Hölle froh, wieder raus zu sein. Trotz Lehrer-Beruf… Ist echt ne ordentliche Leistung! Liebe Grüße, Aneli

    Antworten
    • Oh ja, das ist es. Mir reicht, wie gesagt, manchmal schon ein Nachmittag mit zwei Kleinkindern. Es wird ja weiter gestreikt, es bleibt also spannend. LG und baldigen „Wurf“ ;)

      Antworten
  2. Danke für diesen tollen Text! Ich lerne Erzieherin, bin fast mit der Ausbildung fertig und kann bestätigen was du schreibst: Nur wer den Job wirklich machen möchte, Kinder liebt und dafür wenig Geld in Kauf nimmt wird Erzieherin. Hier in SH braucht man inzwischen Abitur um die Ausbildung der Erzieherin machen zu können und muss Praktika vorweisen können. Wirklich viele Jahre Schule und mindestens 40-50 Wochen unbezahltes Praktikum (38 Stunden + Vorbereitung die Woche) sind da Pflicht!
    Viele sehen das leider nicht so wie du und haben auch überhaupt kein Hintergrundwissen und meckern nur über den Streik.

    Antworten
    • Danke für deine Rückmeldung. Ich bin die ganze Zeit am überlegen, wie wir „euch“ mehr Gehör verschaffen können und was ich als Elternteil tun kann. Denn ich habe keinerlei Verständnis für die GDL, aber die, die es wirklich brauchen und einen Hammerjob machen, müssen leiden? Warum? Ich werde wohl mal weiter in mich gehen und überlegen. LG Bella

      Antworten
  3. Liebe Bella,
    danke für den tollen Beitrag! Ich habe selbst lange als Erzieherin gearbeitet und ja, ich finde auch, dass dieser Job zu wenig wertgeschätzt wird. Die Rahmenbedingungen sind zum Teil katastrophal.
    Zu wenige Erzieherinnen müssen sich um zu viele Kinder kümmern und können froh sein, wenn der Träger ihnen gnädigerweise 2 Stunden die Woche für die Vorbereitung gewährt.
    Und wenn nicht? Dann bereiten die Erzieherinnen in ihrer Freizeit Eltern- und Entwicklungsgespräche vor, schreiben Lerrngeschichten, suchen Lieder für den Morgenkreis raus oder besorgen Materialien für Angebote. In ihrer Freizeit planen sie Bewegungsangebote, Ausflüge oder die Kitareise.

    Es würde allen so viel besser gehen und viel mehr Freude bereiten, wenn es vernünftige Rahmenbedingungen gäbe und Erzieherinnen nicht immer knapp am Burn-out arbeiten müssen.

    Liebe Grüße,
    Britta (souverän erziehen und begleiten)

    Antworten
  4. Danke für diese Unterstützung. Ich sehe es als Wertschätzung meiner Arbeit, was der Politik leider nicht gelingt. DANKE

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige
Innonature