Ängste teilen, macht sie nicht kleiner aber einfacher
Mit der Angst alleine sein, macht sie doppelt schwer. Das liegt vor allem daran, dass sich die Gedanken immer im Kreis drehen und man diese selbst wohl kaum entkräften kann. Wenn man diese Angst jedoch teilt, wird es einfacher. Nein, sie teilt sich natürlich nicht. Aber Impulse von außen können helfen. Und sei es nur ein ruhiges Ohr, was da ist. Denn das Alleinsein verstärkt jede Form der Angst, weil sie kein Ventil findet. Ich habe viel mit Freundinnen darüber geredet, die stets ein offenes Ohr für mich hatten. Das waren nicht viele, aber diese waren da. Immer. Und ich gestehe: Es ist ein anderes Reden als mit dem Partner. Denn auch er hat Ängste. Die äußern sich vielleicht anders, aber sie sind da. Beide Arten der Gespräche sind hilfreich.
Dankbarkeit – für die kleinen Dinge
In den Anfangszeiten und damit auch in den Zeiten der größen Angst habe ich jeden Tipp der Achtsamkeitslehre verpönt. Schwachsinn, sinnlos, nur was für ein Leben in Sonnenschein. Ja, ich war sogar recht zynisch, denn womit haben wir das alles verdient? Aber rückblickend haben mir viele Methoden in dieser Zeit geholfen, dass die Angst nicht überhand nimmt. So war es wirklich wertvoll, viele tolle Momente als Familie aufzusaugen und in dem Moment zu sein. Keine herausragenden Ausflüge, auch kleine Momente im Alltag helfen. Zusammen ein Buch lesen, Kuchen backen (und essen), auf den Spielplatz gehen und und und. Denn diese Momente bewusst wahrnehmen, haben die Angst für eine Zeit verdrängt und auch den Akku gefüllt für schwerere Zeiten.
Auf meine Frage bei Instagram haben viele geantwortet, dass sie in diesen Zeiten noch bewusster Dankbarkeit praktizierten. Das klingt vielleicht abgedroschen, aber es ist wahr. Ich habe in den Zeiten der schlimmsten Angst täglich drei Dinge aufgeschrieben, für die ich dankbar war. Sie lenken den Blick weg von der großen Bedrohung hin zu kleinen Momenten. Selbst in den Wochen in der Klinik gab es jeden Tag diese schönen Momente. Sei es das tägliche Kuchenritual am Nachmittag in der Kantine oder der Arzt, der meiner Tochter immer ein Lächeln zaubern kann.
He ho, let’s go: Was kann ich tun?
Als ich zu Beginn und vor allem vor meiner neuen Philosophie „Den Berg besteigen, wenn er da ist“ noch das Gefühl hatte, etwas tun zu müssen, habe ich mir Aufgaben gesucht. Ob das wirklich so schlau war, das weiß ich nicht, vielleicht war es (falscher) Aktivismus für mich selbst Aber in dem Moment war es das, was mich von der Angst und deren Lähmung ablenkte. So habe ich für das Kind zum Beispiel neue Klamotten gekauft. Denn im Krankenhaus wartet man viel, sitzt auf Gängen und wer weiß wo. Zum Waschen kommen wir dann aber weniger. Also musste ein Vorrat an gemütlichen Klamotten her. In dem Moment hatte ich das Gefühl, dass wir besser auf das, was kommt, vorbereitet wären. Ebenso half es für einen Moment, alles, was wir aus dem Drogeriemarkt brauchen könnten, auf Vorrat da zu haben. Denn auf dem Heimweg Essen kaufen – ok. Aber zu mehr reichte die Zeit rückblickend weniger. Es war also doch etwas sinnvoll.
Hallo Dr. Google?
Viele haben mich gefragt: Googlen oder nicht? Mein erster Impuls wäre ein lautes NEIN. Mein zweiter relativiert das etwas. Für uns war die Diagnose recht schnell klar und damit auch der Behandlungsplan. Wir wussten, dass wir bei unseren Ärzten in den besten Händen sind und sie sich im Zweifel selbst eine zweite Meinung bei Kollegen holen. Demnach hatten wir nie das Gefühl, Informationen zu brauchen, die wir nicht bekamen. Unsere Ärzte haben sogar eine Art Merkblatt erstellt, der Eltern helfen soll und Informationen liefert. Vielleicht haben eure Ärzte das auch? Unsicherheiten und wenige Informationen lösen bei Eltern diesen Impuls aus, mehr wissen zu wollen. Um zu verstehen, was da passiert und was wo getan werden kann.
Doch die Gefahr im Googlen von Symptomen und Krankheitsbildern ist auch, dass ihr Infos bekommt, die ihr nicht lesen wollt bzw. nicht verarbeiten möchtet. Denn rein hypothetisch ist irgendwo in diesem Internet auch schon jemand an einem Schnupfen gestorben. Wollen das Eltern lesen, deren Kind gerade daran leidet? Nein.
Ich habe das Internet also komplett gemieden, mein Mann dagegen hat nur Fachartikel gelesen. Ohne Emotionen, reine Statistiken und Methoden. Wer das versteht und damit umgehen kann, für den ist das vielleicht der Weg.
Fragen und Unsicherheiten ergeben sich auch ohne Dr. Google. Ich hatte in der Küche immer einen Zettel liegen, auf den ich ALLES geschrieben habe, was ich die Ärzte fragen wollte. Die Fragen können noch so „dumm“ sein, lasst sie raus. Damit müssen Mediziner umgehen (lernen). Da wir unsere Ärzte nahezu täglich gesehen haben, waren alle Fragen schnell beantwortet und manche Sorge dadurch entkräftet. Allein das Aufschreiben im Vorfeld sorgte dafür, dass ich sie nicht immer im Kopf behalten musste.
Solche Gespräche, wie das mit deiner Tochter, über deine Angst um sie, da denkt man sich doch immer wieder, was für schlaue, tolle kleine Wesen das sind.
Vielen Dank für das Teilen deiner Erlebnisse!
„Denken Sie groß“ von Deichkind war mein Anker, als Hirnfehlbildungen und Behinderung im Raum stand. Viele Wege zum und vom Krankenhaus. Heute erinnert mich das Lied an eine ungewisse, angsterfüllte Zeit. Und auch wenn viele „schlimme“ Vermutungen eingetreten sind, ist dieses Lied immer noch der Reminder, dass man so eine Zeit schafft und auch jetzt noch groß denken sollte! Und das wohl auch unser Kind verinnerlicht hat
Das ist ein sehr wertvoller Text. Vielen Dank für Deine ehrlichen Worte. Ich kenne diese Ängste auch…. und ich kann aus Deinem Text auch noch was lernen. Ich wünsche Dir und Deiner Familie von Herzen alles Liebe und Gute.
Danke für den wertvolleb Text. Ich habe mich an einigen Stellen wiedererkannt und aus anderen kann ich etwas für die nächste Phase der Angst mitnehmen.