„Hier liegen die Toten, in einem Sarg unter der Erde“. So oder so ähnlich war die Antwort meiner Oma vor weit mehr als 25 Jahren auf meine Frage, was denn ein Friedhof ist. Dieser Ort, an den wir einmal die Woche zusammen gingen, immer mit einer Gießkanne, Blumen und einer kleinen Harke unterm Arm. Ein Ort, der voll war mit Steinen, auf denen irgendwas stand und auf dem es immer verdächtig ruhig war. Hier durfte ich nicht rennen, nicht toben. Hier half ich meiner Oma dabei, zwei Stellen mit eben diesen Steinen sauber zu machen oder die Namen zu entschlüsseln, die im Umfeld standen.
Wenn jemand an der Kaffeetafel fehlt: Wo ist er hin?
Was allerdings dieser Tod ist, blieb mir unbekannt. Ich merkte, dass Menschen in unserem Umfeld verschwanden. Der alte Onkel meines Papas war auf einmal weg. „Der ist gestorben“, sagten alle. Meine Eltern gingen dann und wann auch mal ganz in schwarz gekleidet aus dem Haus. „Zur Beerdigung von Onkel Herrmann“, beantworteten sie meinen Blick. Aha, Onkel Herrmann ist also auch unter der Erde.
Tot. Sarg. Gestorben. Beerdigung. Alles Begriffe, die mir schleierhaft waren, damals im Kindergarten. Ich ahnte, wir sind nicht unsterblich, irgendwann ist jede Zeit einmal vorbei. Und dann? Dann liegt man, nach Aussage meiner Oma, im Sarg unter der Erde. Diese Vorstellung machte mich jahrelang traurig und ängstlich. Ich fand es schlimm, dass Menschen da unten im Dunkeln liegen und nichts machen können. Die müssen sich doch langweilen, Angst haben oder Hunger? Was machen die den ganzen Tag da und erst Recht in der Nacht? Und vor allem: was für eine Verschwendung an tollen Seelen und Charakteren, wenn alle irgendwann unter der Erde in einer Kiste liegen und warten. Ja, worauf eigentlich?
Über Tod sprechen: Meine Horrorvorstellungen als Kind
Irgendwann steckte mir noch jemand, dass dieser Sarg aus Holz ja irgendwann von Würmern zerfressen würde und damit auch der Mensch darin. Ich vermag nicht genau sagen, ob es meine Oma war oder mein großer Bruder – ich vermute letzteren. Doch ihr seht, meine Vorstellung von Tod und Toten war nicht wirklich gut, sofern sie überhaupt gut sein können. Sie machte mir Angst, obwohl ich kaum Berührungspunkte damit hatte. Niemand sprach darüber und ich weiß, dass dieses Thema von uns fern gehalten wurde. Nicht absichtlich, sondern eher unter dem Aspekt, dass Kinder damit nichts zu tun haben sollten.
Mein Umgang mit dem Tot war deswegen lange schwierig. Ich versuchte es zu vermeiden, denn ich wusste nicht, damit umzugehen. Was sagt man? Was passiert nun eigentlich? Und überhaupt, woran soll ich glauben? Mit den Jahren bekam ich ein Gefühl dafür, doch es dauerte und einige für mich wichtige Menschen mussten erst gehen, dass ich es wirklich begriff.
Was ich anders mache: So rede ich mit meinen Kindern über den Tod
Meine Kinder hatten bisher (ein Glück!) wenige Berührungspunkte mit dem Tod. Unser Hase starb vor zwei Jahren, doch damals war die Kleine noch im Bauch und die Große konnte so gar nichts damit anfangen. Als Mama und Papa die Kiste mit Hasen-Holly begruben, stand sie mit ihren zwei Jahren daneben und guckte eher verdutzt auf uns als auf das Geschehen. Sie war einfach zu klein, doch in meinen Augen versteht sie so besser, warum ihre Holly nicht mehr da ist, als wenn sie „einfach weg wäre“.
Einfach weg – so wie ich es meine gesamte Kindheit über dachte. Auch wenn ich mich oft frage, ob dieses Thema für Kinder schon relevant ist, möchte ich es mit meinen Kindern anders begleiten, wenn es passt. Ich möchte nicht, dass meine Kinder eine dunkle Angst vor etwas haben, was ihnen nie jemand erklärt hat. Es ist und bleibt kein schönes Thema, aber es gehört zum Leben dazu. Doch wie ich es im Zweifel angehe, das weiß ich noch nicht. Offen, mit Raum für Fragen, Tränen und auch viel Verständnis. So ist der Plan.
Ein E-Book mit Erfahrungen anderer Eltern
Zusammen mit zehn Familienbloggern und einer Traumapädagogin hat CosmosDirekt nun ein E-Book zu diesem Thema rausgebracht, um andere Eltern zu unterstützen. Sie berichten, ab welchem Alter und wie sie mit ihren Kindern über den Tod geredet haben, was sie davon halten, Kinder mit zu Beerdigungen zu nehmen und wie sie das Thema z.B. mit Büchern verständlicher machen. In persönlichen Geschichten erzählen sie von ihren Erfahrungen, immer wieder hinterlegt mit der Meinung der Expertin und Empfehlungen aus ihrer Arbeit als Traumapädagogin. Ein Link, den ich mir definitiv abspeichern werde, auch wenn ich hoffe, dass uns das Thema erstmal erspart bleibt.
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