Es gibt oft Tage, an denen ich mich abends mies fühle. Ich bin eine schlechte Mutter. Nicht einfach nur „nicht perfekt“, sondern schlecht. Woran ich das festmache? Ich bin ungeduldig, mehr als ungerecht, voreilig und vorschnell. Mit den Kindern, mit mir. Wenn ich dann den Tag Revue passieren lasse, merke ich, was alles falsch lief. Klar, mit Kindern ist es selten perfekt, aber müsste ich es manchmal nicht besser wissen?
Dass das Kind gerade nicht aus seiner tieftraurigen Gefühlswelt ausbrechen kann und dafür meine Hilfe bräuchte? Dass das Baby nunmal unzufrieden ist, weil etwas noch nicht so klappt, wie es sollte? Dass ich gerade keine acht Arme habe, um alle Bedürfnisse der Anwesenden zu erfüllen?
Gut bin ich immer erst zu spät
Ja, ich weiß all das und noch viel mehr. Später. Zu spät. Manchmal glaube ich, mein Umgang mit den Kindern ist ein bisschen, wie meine Spontanität: gut, wenn die Situation schon längst vorüber ist. Dann brauche ich auch keine Einsicht mehr haben, oder? Wenn die Kinder im Bett sind und vielleicht ebenso unzufrieden mit dem Tag, dann brauche ich auch nicht mehr darüber nachdenken, was hätte besser laufen können.
DOCH, genau dann. Denn ich merke in ungeduldigen Phasen meinerseits und lauten Phasen der Kinder, dass mir diese Reflexionen helfen. Nicht, weil ich ein Patentrezept für schreiende und bockende Kinder und genervte Eltern gefunden habe. Aber weil ich merke, dass ich in ruhigeren Momenten einen Weg finde, der für alle ok ist. Er ist nicht perfekt, aber er hilft uns heraus. Aus dem Schreien, aus dem Toben, aus dem Wüten. Der Weg ist nicht für alle zufriedenstellend, er erfüllt nicht alle Wünsche und erst Recht nicht alle Bedürfnisse. Aber er beendet das Drama, was mich mit meinen Kindern tagtäglich heimsucht.
Zu viele Bedürfnisse, zu wenig Arme
Das Drama um „Ich will aber noch dröfzigtausend Folgen Bobo gucken“ über „Aber ich will zu Papa“ bis zum allgemeinen „Ich bin zu hungrig, um klar zu denken“. Nicht zu vergessen mein ganz persönliches Drama „Ich will endlich mal Ruhe, ich kann nicht mehr geben.“
Diesen Weg habe ich aber nicht in der Tasche und zaubere ihn hervor. Manchmal brauche ich einen Moment, um ihn zu finden. Wäre ich ausgeschlafener, wäre ich vielleicht schneller. Aber was ich oft brauche, ist ein klarer Kopf. Wenn die Lösung für das Drama nicht auf der Hand liegt oder meine Logik nicht mit der der Kinder übereinstimmt. Dieser Moment ist aber nicht im Drama zu finden. Zwischen all den Tränen, lauten Worten und Handlungen finde ich nicht die Ruhe. Und dann gehe ich raus. Raus aus dem Moment, raus aus dem Drama und denke nach:
Bin ich gerade gerecht? Ich besinne mich auf das Gefühl, sich ungerecht behandelt zu fühlen.
Ich frage mich, wie stark ich auf meinen Prinzipien beharren muss oder ob es nicht auch anders geht.
Ich atme tief durch.
Gibt es einen Kompromiss, der allen hilft? Ein kleines bisschen für alle?
Braucht das Kind gerade mehr Hilfe als ich es sehen kann?
Ich atme durch.
Hilft es allen, wenn sie mal kurz für sich sind? Ohne schimpfen, ohne Worte.
Braucht es vielleicht nur eine Umarmung und ein einfaches: Ich bin da!
Geh auf Augenhöhe und schau dir alles aus ihren Augen an.
Ich atme durch!
Es ist so einfach gesagt und erst Recht geschrieben in einem Moment der Ruhe. Doch ich merke, dass es das nicht ist. Was ich aber auch merke: Ich werde besser, jeden Tag. Ich wachse, genauso wie die Kinder. Aber nicht in die Höhe und von der Breite möchte ich jetzt nicht anfangen. Ich wachse mit ihnen, mit jedem Kind und jedem Drama ein bisschen mehr. Ich merke, dass ich für mich gelassener werde und für die Kinder ruhiger. Ich wachse innerlich und werde größer, weiser, ruhiger. Aber perfekt? Das bin ich lange nicht. Denn dann bringe ich den grünen statt des lila Bechers und das Drama beginnt von vorn.
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