Heute wurde ich auf der Republica auf ein Thema aufmerksam gemacht, die mir bisher nicht auffiel: Vielfalt in Kinderbüchern. Damit meine ich nicht, möglichst viele Kinderbücher zu haben oder unterschiedlichste Themen wie Baustelle, Flughafen, Familienzuwachs und Zähneputzen. Mit Vielfalt meine ich Inklusion, Familienmodelle, Migration, Geschlechterrollen, Flüchtlinge uvm. Es geht darum, zu zeigen, dass die Welt nicht nur aus Mama, Papa und Kindern besteht, dass nicht alle gesund, sicher oder arbeitend sind und dass es Menschen und Familien gibt, die anders sind.
Warum das in Kinderbücher soll?
Weil Kinder einen Großteil ihres Weltbildes von uns Eltern übernehmen und eben aus Büchern, die wir ihnen anbieten. miniberlin putzt erst die Zähne, seitdem in einem Buch „Putzelotte“ zum Leben erweckt wurde. Sie erzählt, wie sie mir mit ihrer Babyschwester helfen kann, wenn sie geboren ist, weil ihr Liebling Moritz im Buch „Wir sind jetzt Vier“ genau das herausfindet. Sie liebt „Kacka-machende-Elefanten“, Feuerwehrmänner mit Kuchen in der Hand und Enten die sich verstecken. Weil DAS in ihren Kinderbüchern thematisiert wird. Leider kennt sie noch keine Menschen die anders sind oder Familien, die nicht aus Mama und Papa bestehen. Nicht, weil wir es bewusst von ihr fern halten. Es passiert unbewusst, doch das wird sich jetzt ändern.
Kinderbücher prägen Sichtweisen und sie können die Welt verändern. (Suse Bauer)
Genau das ist es. Kinder nehmen die Welt und Geschichten in Büchern anders wahr. Sie messen ihnen eine absolute Wahrheit zu, einen Blick auf die Welt, den sie so nicht erhaschen könnten. Und es liegt an uns Eltern, ihnen diesen Blick zu ermöglichen. Denn miniberlin stellt sich mit ihren zwei Jahren nicht vor mich und sagt: Ich möchte gern etwas über Menschen mit Down Syndrom lesen, denn sie gehören zum Leben dazu. Ich muss es ihr zeigen. Doch Diversität gibt es kaum in Kinderbüchern.
Kinder sind unvoreingenommen
Laut Suse Bauer, Carina Kühn und Raúl Krauthausen fehlt es an Experten, die diese Bücher schreiben. Doch wer sind diese Experten? Dabei ginge es nicht um Therapeuten, sondern wirklich um Betroffene. Denn anders als Autoren, die sich nur für diese Themen interessieren, inszenieren sie Themen wie z.B. Behinderungen nicht. Es gäbe einen klaren Bezug zur Realität. Doch auch hier entscheidet oft die Wirtschaftlichkeit. So sind z.B. Kinderbücher für Menschen mit Sehbehinderungen nicht rentabel. Oft kämen Kinder erst in der Schule mit Büchern in Berührung.
Dabei ist es die Unvoreingenommenheit der Kinder, die diese Themen braucht. Denn Kinder suchen Gemeinsamkeiten, sie sehen keine Unterschiede. Sie sehen einen Menschen mit Down Syndrom nur als einen „Behinderten“ an, wenn sie stets das Gefühl bekommen, dass diese Menschen anders sind. Doch sie gehören dazu, auch in Kinderbüchern. Bücher dazu gibt es allerdings kaum. „Es gibt nur Erklärbücher, wie Menschen mit Down Syndrom so sind“, meint Carina Kühne. Sie hat das Down Syndrom und hat selbst eine Geschichte für Kinder geschrieben. „Rieke möchte nicht mehr allein sein“ erzählt von der Ausgrenzung eines Mädchens durch Kinder, die nie mit der Besonderheit in Berührung kamen. Bis Max kommt. Er zeigt ihr und auch anderen, dass Rieke nicht anders ist.
Natürliche Inklusion, nicht nur Akzeptanz
Raúl Krauthausen geht sogar so weit und meint: „Wenn du einen Preis gewinnen willst, dann spiele einen Behinderten.“ Das sei ein Zitat an Schauspielschulen. Auch unter Autoren entdecke er dieses Phänomen. Und genau darin sieht er das Problem. Inklusion werde stets überspitzt dargestellt, es fehle jede Natürlichkeit. Zumeist ende das Thema sogar im „Othering“– also in der Zusammenführung zweier Menschen, die anders sind, die beide eine Behinderung haben oder ähnliches. Doch Integration und Inklusion sehen anders aus!
Deswegen fordern Carina, Suse und Raúl unter #kunterbunteskinderbuch auch:
- Mehr Bücher zu inklusiven, queeren, multikulturellen und geschlechtergerechten Themen von Experten
- Mehr Diversität in Kinderbüchern
Diversität, egal in welchem Themenspektrum soll nebenbei und natürlich dargestellt werden.
Welche Bücher gibt es schon?
Wenn ich mich kurz in miniberlins Bücherregal denke, fällt mir ein Wimmelbuch ein, in dem zumindest ab und zu eine Frau mit Kopftuch zu sehen ist. Doch das ist nicht vielfältig und kein #kunterbunteskinderbuch. Da mir diese Zeilen und das Thema heut frisch unter den Nägeln brannten, hatte ich noch keine Zeit für eine ausgiebige Recherche und viel Input. Doch hier habe ich für euch zwei Links, in denen es genau darum geht: Vielfalt in Kinderbüchern.
Sonja von Mama Notes hatte schon vor einiger Zeit das Thema aufgegriffen und aus persönlicher Sicht beschrieben, warum es ihr so wichtig ist. Sie zeigt, welche Bücher sie mit ihren Kindern liest und warum.
Auf der Seite von Suse Bauer geht es komplett um die Vielfältigkeit der Themen, die oft zu kurz kommt. Aktuell möchte Sie auch wissen, was euch in Kinderbüchern fehlt. Dort findet ihr auch die Kurzgeschichte von Carina und weiteren Input zur Debatte.
Demnächst schaue ich selbst einmal, welche Bücher es so gibt, gerad für ganz kleine Kinder. Bei miniberlin fällt mir nämlich sehr stark auf, wie emphatisch sie ist und Themen verarbeitet, ob aus dem echten Leben oder aus Büchern. Doch zu komplex dürfen sie noch nicht sein, denn mit ihren zwei Jahren möchte ich sie nicht durch Überforderung abschrecken.
Ist euch schon ähnliches aufgefallen oder findet ihr, es gibt genug Bücher, die sich mit Diversität beschäftigen? Habt ihr Tipps und Bücher für mich, die ich aufgreifen kann?
Liebe Grüße
eure Bella
Hallo Bella, ein toller Post. Danke dafür. Als ich das Thema gestern bei Twitter las, dachte ich nur: Oh, nein. Eines meines Lieblingsthemen, erörtert von Carina und Raul ahhh – und ich nin nicht dabei. Danke für deinen tollen Beitrag darüber.
Ja, ein Thema, welches immer wieder zu kurz kommt. Aus diesem Grund habe ich auch meine erste Bücherwoche im März dazu gestaltet, die nächste ist bereits in Planung. Ich sehe einen Punkt etwas anders: Ich finde es wichtig über die Themen zu sprechen, auch wenn die Bücher noch nicht alle Anforderungen erfüllen. Eine Erfahrung die ich bei meiner Arbeit aber auch bei meinem Sohn machen konnte ist, dass Kinder meistens sehr emphatisch sind und Bilderbücher oder Kinderbücher einen guten Weg darstellen, um Themen als „normal“ darzustellen. Je vielfältiger umso besser. Und das Ganze am Besten ohne, dass es zuvor für diese Themen einen Anlass gab. Mit Bilderbüchern können Kinder eine Welt kennen lernen, mit der sie aktuell noch keinen Kontakt haben. Durch das Besprechen des Themas – und das Erzahlen mit den vertrauten Erwachsenen – wird das Thema einfach eines in der eigenen Welt. dadurch sind später, wenn der Bezug zum eigenen Leben deutlich wird, hier keine künstlichen Schranken vorhanden. Sondern eher: ach,… das ist ja wie in meinem Buch…. kenne ich <3
Ich gebe dir vollkommen Recht: Reden ist noch wichtiger. Aber ehrlich: mit meiner Zweijährigen kann ich darüber noch nicht so reden…wenn wir jemanden sehen, der anders aussieht, als sie es erwartet, dann versuche ich es, ihr zu erklären. Aber das ist noch schwer zu greifen für sie. Wir schweigen nicht dazu, aber gerad in dem Alter ist es ein toller Anfang, über Bücher an das Thema zu kommen. Wenn ich meine Liste fertig habe, verlinke ich fleißig zur dir. :) Denn Beiträge kann es dazu nicht genug geben! LG
Ja, Bella. Ich habe mich heute Nacht wohl unglücklich ausgedrückt. Genau das finde ich nämlich auch. Mit Büchern ein Thema zu „zeigen“ kann der Einstieg sein, ohne das man zuvor Kontakt dazu hatte. Genau deswegen finde ich diese Bücher so wichtig. Lg
Hallo, zum Thema Regenbogenfamilien finde ich „Wie heiraten eigentlich Trockennasenaffen“ sehr gut. Für kleine „Mama, Mommy, and me“, das wir dann auf deutsch vorlesen.
Sehr beliebt sind hier die beiden kleinen Bücher von Holm Schneider. Hier der Link zum einen: http://www.lovelybooks.de/autor/Holm-Schneider/Warum-Vampire-nicht-gern-rennen-975533786-w/ – was ich dabei gemerkt habe: es ist überhaupt nicht wichtig, was die „Besonderheit“ ist. Mein autistischer Sohn ist völlig begeistert, einfach, weil da Kinder Protagonisten sind, die auch Besonderheiten haben, vieles nicht mitmachen können, etc.
Spannendes Thema … und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir darüber noch gar nicht so viele Gedanken gemacht hab – obwohl ich mich freue, dass es inzwischen endlich Bücher mit Hausgeburten, Stillen und Familienbett gibt … aber ja – die Gesellschaft ist natürlich viel viel bunter – deine Linktipps werde ich mir ansehen! Danke ~Tabea
Ich mag gerne das Wimmelbuch „unser Zuhause“ von Doro Göbel und Peter Knorr. Es ist sicher noch Luft nach oben, aber es macht schonmal einen guten Anfang. Es gibt ein Kind im Rollstuhl, Großfamilien, Alleinerziehende, Poc und eine Regenbogenfamilie.
Tipp von mir –> „Bunt, gleich und anders… wie Du und ich“ von Temu Diaab für die Kleinen zwischen 3 und 6 mit sehr schönen Bildern. http://www.diaab.de