Wir sitzen am Tisch zusammen. Während ich unentwegt aufhebe, was eines der Kinder runter wirft, steht der Mann immer und immer wieder auf, weil etwas fehlt. „Nein, ich will aber Milch trinken. Und die Gabel brauche ich auch nicht.“ Wir alle hatte einen langen Tag, viel erlebt, viel gesehen. Zu viel von vier Personen für dieses kurze Abendessen. „Mama, Klara Emilia hat einen Drachen gesehen…“ und das Baby kommentiert alles mit ihren fröhlichen DaDaFa. Zu viele Worte, zu viele Informationen treffen auf zu viel Müdigkeit und zu wenig Zeit. Die Antwort auf „Schatz, wie war dein Tag?“ geht in Wutgebrüll wegen des falschen Bechers und Müdigkeit des Babys unter. Das Essen ist kurz, ich esse schnell, denn für manche ist der Tag dann schon wieder rum. Wie er für alle war, dass weiß ich am Ende nicht.
Was wäre, wenn…
Meine müden Gedanken schweifen ab. Wann konnte ich das letzte Mal in Ruhe essen? Ohne ein Baby, was alles runterwirft und ein Kleinkind, welches rummäkelt? Wann waren der Mann und ich das letzte Mal zusammen Essen? Ich erinnere mich an ein Gespräch am Tisch. Zu intensiv die Zeit mit den Kindern, zu präsent der Schlafmangel. Ich freue mich auf ein Essen, nur zu zweit. An dem Zeit für Worte, für Geschichten und für Pläne ist. Nur von uns. Wie war dein Tag und was wollen wir sein? Ein Essen, an dem man die Antworten des anderen nicht nur wahrnimmt, sondern auch hört und versteht. Jeden Tag. Wenn die Kinder aus dem Haus sind oder nur noch spät heim kommen. Wenn wir vielleicht irgendwann am Tisch sitzen und uns das fröhliche Gebrabbel fehlt. Das DaDa, welches alle zum Lachen bringt. Und was war mit dem Drachen? War er Lila oder Grün? Diese Zeit wird kommen. Und dann weiß ich, werden sie fehlen: Momente wie diese. Wenn uns ein bisschen mehr Action lieb wäre, einmal mehr aufstehen, einmal mehr aufheben, einmal mehr alle zusammen sein.
Alleine Kochen? Wie war das?
Ich stehe in der Küche und schneide Gemüse. Reicht es, oder wollen heute alle mehr? Ich nehme lieber den großen Topf, so haben wir auch morgen noch was. Zwischen allem Geschnippelt und Rühren spiele ich Einkaufen mit der Großen. „Ja, ein Kaffee bitte, und können Sie mir einen Kuchen empfehlen? 2,50 macht das? Ok!“ Ich rühre, spiele, kaufe ein und habe ein Baby am Bein. Das Kind, was es nicht erträgt, wenn es nicht auf meinem Arm ist, hebe ich hoch. Einhändig rühren, spielen, tragen…es ist nicht schön, aber es geht. Es tut weh, denn 12kg Baby sind nicht leicht. Es wird lauter, denn zu all dem Trubel verdirbt der Hunger die Laune. Er drückt im Bauch, er fehlt im Kopf, er macht die Arme und Beine ganz schwach. Und wie ich da so stehe und beide Kinder kuschle und halte, wünschte ich, ich hätte Pizza bestellt.
Meine Gedanken schweifen ab. Hin zu dem Zeitpunkt, an dem ich das letzte Mal wohl entspannt und ohne Gezeter gekocht habe. Wie war das noch mal? Und was könnte man alles schaffen, wenn man immer zwei Hände hat? Wann wird das wohl wieder sein? Irgendwann. Wenn die Kinder größer sind und ihre ersten eigenen kleinen Wege gehen. Wenn sie ihre Ideen im Kopf und ihre ersten Pläne umsetzen. Dann stehe ich in der Küche und koche, ohne Baby auf dem Arm und Kleinkind am Bein. Es ist still hier, in meinen Gedanken. Ich höre nur das Blubbern im Topf und das Rattern der Waschmaschine. Ich habe schon so viel geschafft in diesen Gedanken, denn ich habe ja zwei freie Hände.
Irgendwas fehlt immer
Aber wo sonst mein Arm schwer wird, werden hier vielleicht meine Gedanken schwer? Denn ich warte auf das vertraute Klicken im Schloss und das Knallen der Tür. Ich warte auf meine Kinder, die vielleicht aus der Schule kommen oder vom Hobby. Mit Plänen im Kopf, Sorgen auf den Schultern und lauten Worten auf der Zunge. Wer weiß, was sie wollen, machen, denken? Ich nicht. Denn ich stehe hier, mit dem Baby auf dem Arm und dem Kleinkind am Bein und weiß: so genervt und erschöpft ich von dieser Situation auch bin, irgendwann wird sie mir fehlen. Dann, wenn ich darauf warte, dass die Kinder heim kommen. Nachmittags, abends oder sogar nachts. Wenn mich kein Baby mehr vom Schlafen abhält, sondern vielleicht die Sorge um die feiernden und reisenden Mädels.
Dann werde ich sie mir wieder wünschen, Momente wie diese.
Denn so hat jeder Moment seine Berechtigung und seine Zeit. Der der anstrengenden kleinen Kinder, der pubertierenden großen Kinder und die der ausgeflogenen erwachsenen Kinder. Momente des Alleinseins, der Zweisamkeit, der Familie und des Lernens.
Alles hat seine Zeit und vielleicht hilft in diesen zehrenden Momenten genau das Wissen darum. Irgendwann wird es nicht mehr so sein, sondern anders. Anders schön aber auch anders anstrengend. Dann werden sie mir fehlen, Momente wie diese. Und so geht es immer weiter, denn jeder Moment ist irgendwann mal vorbei. Zeit für den nächsten Moment, der genossen, verstanden, akzeptiert und gelebt werden will.
Eben Momente wie diese.
Liebe Bella,
Ich kann deine Gedanken und Sätze so sehr nachfühlen.
Und ich will dir gern verraten das es eine Zeit geben wird zwischen der anstrengenden und so intensiven Baby/Kleinkindzeit und den pubertierenden jugendlichen. Wenn deine Kinder auf die Vorschulzeit zugehen oder in der Grundschule. Dann hörst du zwar auch mehr als nur das blubbern im Topf, aber das ist dann vielleicht geschrirrklappern weil deine Kinder den Tisch decken, oder Kinderlachen weil sie zusammen spielen. Und diese Zeit ist genauso wunderschön, und manchmal anstrengend und intensiv und doch so anders als die mit ganz kleinen Kindern. Den man kann manchmal in Ruhe kochen und Tischgespräche führen und weiß (noch) was in den Kindern vorgeht.
Ganz liebe Grüße. Ani.
Ein wunderschöner Beitrag. Habe ich so gerne gelesen. Hat mich tief berührt. *seufz*
Lieben Dank. <3
Dein Text hat mich zum Weinen gebracht. Weil er so wahr ist. Weil die Zeit so schnell vergeht.
Und weil ich als Wieder-Schwangere einfach schon jetzt emotionaler bin…
Danke für deine Worte!