„Jetzt ist nicht deine Zeit.“ Abstriche einer Mama

15. November 2016
familieberlin
Gedanken | Mamasein

Manchmal beobachte ich mit Neid andere Mütter. Die, die oft schön und gepflegt aussehen. Die, die spannende Projekte umsetzen, reisen und auf tollen Events sind. Die, die sich einfach mal eine Auszeit nehmen, sich allein in ein Café setzen oder sogar ein Wochenende ohne Familie wegfahren. Dann denke ich mir fast ein bisschen trotzig: „Das will ich auch“. Ich will nicht mehr so fertig aussehen, möchte endlich mal in Ruhe shoppen gehen und einige Stunden am Stück schlafen. Ich möchte nicht nur stillen, tragen und Kinderlieder singen. Oder doch? Ich möchte meine ganzen Ideen in die Tat umsetzen, sofern ich sie noch nicht vergessen habe. Endlich mal ein eigenes Buch lesen, ohne Ablenkung oder entspannt am Frühstückstisch sitzen. Wie gern würde ich ein Wochenende mit lieben Blogger-KollegInnen zusammen sein oder mit einer Freundin ein Wellness-Hotel besuchen.

JETZT geht vieles nicht und das ist ok

Doch wenn ich so darüber nachdenke, was ich alles SOFORT will, gluckst es fröhlich in meinem Arm. An meinem Bein hängt auch noch jemand, der noch keinen Meter groß ist und fröhlich singt. Und wie so da stehe und meine beiden wirklich kleinen Kinder im Arm halte, höre ich ein leises Stimmchen in mir:

„Jetzt ist nicht deine Zeit“.

Es ist die Zeit zum Bausteine stapeln und Buden bauen, zum Baby kuscheln und Baby „essen“. Es ist der Moment, in dem dein Baby noch seelig in deinem Arm schläft und genau das braucht. DICH. Es ist die Zeit für andere – für meine Kinder.  Es ist Zeit für lange Abende zum Kuscheln, denn diese sind irgendwann vorbei. Zeit für drei Bücher vor dem Einschlafen und vielleicht doch noch einen Kuss bevor das Licht ausgeht? Jetzt ist nicht meine Zeit, jetzt sind meine Kinder dran. Es ist ihre Zeit, die sonst nie wieder kommt. Denn sie sind klein, sie brauchen mich im hier und jetzt. Irgendwann sind sie groß und brauchen mich nicht mehr. Sie bereisen die Welt und planen ihr Leben. Doch so lange ich noch ihr Mittelpunkt bin, der so wichtig ist, ist es meine Zeit mit ihnen.

Nicht meine, sondern die Zeit mit ihnen

Es ist nicht meine eigene Zeit, oder die einer ordentlichen Wohnung. Es ist nicht die Zeit für das perfekte Aussehen und die steile, schnelle Karriere. Es ist noch nicht die Zeit für einen aufregenden New York Trip. Jetzt ist Zeit für Spuckflecken auf der Schulter und Augenringe, für Lachfältchen und strahlende Augen. Zeit für Wäscheberge und einen ungewollten Sandkasten im Flur, für Handabdrücke an der Wand und Milch auf dem Fußboden. Und ja, es ist auch die Zeit der schlaflosen Nächte, der vielen Sorgen um die Kinder und der vielen Fragen: was kommt, was wird aus Ihnen, wo wollen sie hin? Und wenn sich diese Antworten langsam formen und ihre tapsigen Schritte nach und nach sicherer werden, ihre Worte klarer und ihre Wünsche bewusst, dann weiß ich, dass auch meine Zeit wieder kommen wird. Denn irgendwann brauchen die Kinder mich nicht mehr 24/7. Dann wollen sie Pausen, genau wie ich. Zum Toben, Träumen und Luftschlösser bauen. Genau wie ich!

Liebe Grüße
eure Bella

20 Kommentare

  1. Du sprichst mir mal wieder aus dem Herzen! Vielen lieben Dank für deine tollen Beiträge, Geschichten, Anregungen, das bereichert mich sehr.

    Antworten
  2. so ein wundervoller Text. Und wie recht du doch hast. Ich sollte auch versuchen, etwas umzudenken und diese Zeit mehr zu genießen…
    Liebe Grüße.

    Antworten
  3. vielen lieben dank, ja auch mir geht es so.manchmal finde ich es sehr,sehr hart, aber dann denke ich an den satz „dein alltag ist ihre kindheit“ (weiß nicht mehr von wem) und dann tut es mir auch ehrlich gesagt leid, dass ich manchmal wirklich nur meine ruhe will. aber so sind wir menschen eben, auch mamas sind menschen mit träumen und bedürfnissen…

    Antworten
  4. Es sollte immer deine Zeit sein.

    Antworten
  5. Hach Bella, meine Hormone Ich kenne dieses Gefühl so gut. Oft, wenn Lotte nun so schön für ein Stündchen alleine spielt und ich dabei in Ruhe eine Zeitschrift lesen kann, dann frage ich mich, warum ich jetzt, schwanger wie ich bin, dieses kleine bisschen Freiheit wieder aufgeben kann.
    Ich sehe aber auch wie schnell die Kids groß werden und dass wir die Zeit lieber genießen sollten.
    Allerdings bin ich auch dafür mal eine Me-Time-Pause zu machen – Baby und Kleinkind hin oder her.
    Wir brauchen nicht die ganz große Freiheit, jetzt und sofort. Ein kleines Stückchen reicht schon.

    Ich wünsche dir, dass du an diesen Artikel zurück denkst, sobald da mal wieder der Neid ruft. Ich versuche auch dran zu denken ;)

    Knutsch dich,

    Sarah

    Antworten
  6. „Jetzt ist nicht deine Zeit“ finde ich als Mantra schwierig. Im Kern sagt das aus, dass man als Mutter weniger wichtig ist – oder dass die eigenen Bedürfnisse nur so weit wichtig sind, wie es die Bedürfnisse anderer erlauben. Aber können wir nicht nur dann wirklich gut für unsere Kinder da sein, wenn wir uns selber ausgefüllt und zufrieden fühlen? Wenn das für jemanden der Fall ist, der sich voll und ganz auf seine Kinder konzentriert, ist das wunderbar. Aber nicht alle Frauen sind so gestrickt. Einige fühlen sich ausgeglichener, wenn sie arbeiten gehen können, zumindest einige Stunden, Sport machen können, einem Hobby nachgehen können. Viele schöpfen neue Kraft aus der Zeit, die sie mit Freunden verbringen können – ja, auch mal nur unter Erwachsenen. Mehr Toleranz in beide Richtungen wäre schön. Der Text enthält schon ein implizites Urteil über Frauen, die für sich einen anderen Weg gewählt haben, der aber ganz genauso viel Berechtigung hat wie deiner.

    Antworten
    • Man ist nicht weniger wichtig, aber es ist doch so, dass man Abstriche macht. Wie viele, ist jedem selbst überlassen. Ich kritisiere damit niemanden, der mehr Freizeit braucht, arbeiten geht oder oder oder. Es war meine Erkenntnis, für mich. Das es eben manchmal nicht so schnell geht, wie man will, weil eben noch andere Menschen da sind. Und genau da fängt für mich das miteinander an! Ohne Urteile!

      Antworten
  7. Danke für den schönen Text!
    Gerade weil wir vor den Kindern viel gereist sind, fehlt mir das nun sehr stark. Unser letzter Urlaub ist bald ein Jahr her… Aber wie du gesagt hast, kann man das alles nachholen. :)

    Sonnige Grüße.

    Antworten
  8. Hallo liebe Bella,
    ich mag deinen Schreibstil sehr gerne! Der Sandkasten im Flur ist sehr cool :D
    Ich gebe meiner Vorrednerin Karoline Recht. Und auch dir. Man muss einen guten Mittelweg finden. Je nach Alter der Kinder ist der besser oder schlechter umsetzbar. Aber wenn man sich tatsächlich über mehrere Jahre hinweg vergisst als Mama, dann geht man und damit auch die Familie unter. Ich puzzle, male, lese gerne mit meiner Tochter eine Stunde am Nachmittag oder gehe mit ihr zum Tanzen, aber dann nehme ich mir auch wieder bewusst die Zeit nur für mich.
    Das ist wichtig, vergiss dich nicht! Wenn du einen Mann im Hintergrund hast, der das unterstützt, umso besser!
    Aber genauso stimmt es, dass die Zeit, wo die Kinder einen so intensiv brauchen, nur jetzt ist und das sollte man dann auch wiederum genießen. Aber eben nicht immer ;-) Du weißt schon, wie ich das meine :D
    Liebe Grüße,
    Janina

    Antworten
    • Das stimmt, vergessen darf man sich nicht. Möchte ich auch nicht. Aber mit einem Säugling ist es nun mal alles andere als selbstgesteuert. Und das ist es: ich bin fremdgesteuert und so ist es nun mal – jetzt. Irgendwann ist es wieder anders. :) Yippie! Und da Baby leider keine Flasche nimmt, muss ich wohl so lange warten. Nun ja. Liebe Grüße!

      Antworten
  9. Toller Text! Rührte mich gerade zu Tränen. Danke ❤️

    Antworten
  10. Liebe Bella,
    Danke für diesen schönen Text, der mir aus der Seele spricht. Ich wache nacht für Nacht jede Stunde auf, weil meine zweite Kaiserschnitte weint und oft hab ich keine Kraft. Der Gedanke daran, dass mein Wunschkind Nr 3 meine Mutterzeit abschliessen wird, gibt Kraft auch das nächtliche Jetzt zu geniessen. Gib Dir selbst die Kraft ❣️ Von Herzen alles Gute für Euch, Sonja

    Antworten
  11. Dein Text spricht mir aus der Seele, wir Mütter leben in zwei Welten. Gestern hatte ich einen kurzen Arzttermin und unser Kleiner blieb ohne mich beim Papa. Das kommt aktuell noch sehr selten vor und fühlt sich für mich sehr eigenartig an. Der Termin dauerte viel kürzer als befürchtet und mit schnellen Schritten (ohne KiWa oder Trage schwebt man ja fast) ging ich durch die abendliche Innenstadt nach Hause. In Gedanken schon bei meinen Lieben und dem zZ recht emotionalen Einschlafritual. Plötzlich sah ich das Café, in dem ich früher oft war. Spontan holte ich mir einen Chai zum Mitnehmen und fühlte mich plötzlich so frei. Die Erinnerungen an meine Zeit bevor ich Mutter wurde, waren so lebendig. So eilte ich beschwingt nach Hause, öffne die Tür, sehe meinen kleinen Dada-Mann strahlen und mein Herz geht auf.

    Antworten
  12. Nie wieder werden Deine Kinder Dich so sehr brauchen wie jetzt. wie in dieser Zeit. Du weiß, ich würde mein rechtes Beim für Deine Zeit geben, aber ich verstehe genau was DU meinst und daher berührt mich dieser Text ganz besonders. Ganz besonders zwischen den Zeilen.

    Mein wundervolle Bella, Deine Zeit ist perfekt und nach dieser wird eine andere kommen – das verspreche ich Dir und so lange, wollen wir gegenseitig in unseren Zeiten an uns denken? Denn weißt Du, irgendwas ist ja immer und trotzdem gibt es Menschen, die sich nach genau dem sehnen, was Du hast. Menschen die Dich wundervoll finden. Weil Du Du bist. Weil Du genau jetzt in Deiner Zeit bist!

    Bella, ich werde Dich drücken wenn wir uns sehen, einfach nur festhalten und spüren!

    Antworten
  13. Oh ja, genau so denke ich es auch manchmal! Und dabei ist mir klar, dass ich das ganz selbst so gewählt habe und mich bewusst dafür entscheide, mich zurückzunehmen. Und doch ist da manchmal der Gedanke, mal wieder etwas alleine tun zu wollen.
    Ich fliege morgen früh nach Berlin zu meinem Seminar, ohne die Kinder und könnte schon den ganzen Tag heulen. Und doch werde ich es auch in vollen Zügen genießen. Es ist so ambivalent.

    Und ein Wochenende mit Bloggerkollegen hast Du ja dann bald ❤️. UND mit unseren Kindern. Ich freue mich so darauf.

    Liebe Grüße
    Julia

    Antworten
  14. Wahre Worte und so schön geschrieben.<3
    Und wieder einmal merke ich, ich bin nicht allein. Danke, für diesen wunderbaren Artikel!

    Antworten
  15. Was für wahre schöne Worte! Vielen lieben Dank! Wie oft möchte ich tausend Sachen auf ein mal machen, wenn sie Mittagsschlaf hält, denke ich jetzt ist meine Zeit und Bürde mir tausend Sachen auf und rolle dann mit den Augen, wenn sie nach 10min Mama ruft… und dann liege ich neben ihr mit einem schlechten Gewissen nichts zu schaffen! Aber, du hast so recht, ich muss nichts schaffen, ich muss nur für sie da sein❤❤ ich werde mir deinen Text ausdrucken und an den Spiegel hängen!!

    Antworten
    • Das stimmt. Ich habe neulich mal gelesen, mit Kindern hat man nur 18 Sommer. Dann sind sie groß, dann sind sie selbstständig. Ich finde den Gedanken auf Kleinigkeiten im Alltag runtergebrochen auch sehr tragend und wichtig. Genieße die Mittagsschläfchen, hier sind sie jetzt schon so selten geworden.

      Antworten
  16. Die Große fast 6, der Kleine 16 Monate alt. Manchmal ist der Spagat schwierig für mich. Zb Schwimmen gehen mit Beiden traue ich mich nicht. Unsere Tochter ist enttäuscht, dass ich wie heute nicht mit ihr gehen konnte. Die Interessen / Bedürfnisse sind so verschieden. Diesen Blog Post wollte und habe ich ganz bewusst gelesen gerade.

    Antworten

Trackbacks/Pingbacks

  1. Weil ich noch nicht bereit bin loszulassen ~ Glucke und So - […] Ich las den Artikel von Bella von Familienberlin über ihre Gedanken zu mehr Zeit für sich selbst und eigene…
  2. Krümels Rundblick - Krümel & Chaos - […] Jetzt ist nicht deine Zeit […]
  3. Rückblick auf den November - Wheelymum - […] Bella von Familieberlin hat einen bezaubernden Beitrag darüber geschrieben, über das Zurückstecken. […]
  4. ACHTSAMKEIT UND SELBSTFÜRSORGE IM ELTERN-ALLTAG - […] ich auf all dies verzichten muss, sage ich mir gern, dass jetzt eben nicht meine Zeit ist (wie familieberlin so…

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige
Innonature