Am Wochenende verriet ich, dass meine Tochter nach meiner Oma benannt wurde. Darauf reagierten einige Menschen online und offline. Hier nun mein kleiner Nachtrag:
Am Samstag war der 29. August. Jedes Jahr an diesem Tag werde ich ein bisschen traurig. Genauso wie am 16. Juni. Und auch sonst, wenn ich an meine Oma denke. Am 29. August wäre sie 94 Jahre alt geworden. Das wäre mächtig alt. Leider hat sie es „nur“ bis zu 87 geschafft, dabei waren die letzten Jahre qualitativ nicht wirklich wertvoll. Wieder leider. Doch darum soll es heut nicht gehen.
Gedenken, egal wo man ist
Da wo ich herkomme, ist Trauer und Gedenken noch sehr stark mit dem Ort des Begräbnis‘ verbunden. Am Geburtstag und Sterbetag werden Blumen niedergelegt, vielleicht zupft man noch ein Unkraut weg und schaut abfällig auf das welke Grab nebenan. Deswegen hatte ich die letzten Jahre immer etwas ein schlechtes Gewissen, wenn ich an diesen beiden Tagen nicht in die Uckermark fuhr und ihr Blumen brachte. Doch seit einiger Zeit merke ich, dass Gedenken unabhängig davon ist. Ich habe gelernt, dass seine Liebsten auch auf anderen Kontinenten beigesetzt werden können, deswegen denkst man nicht weniger an sie.
Ein großer Schritt in diese Richtung war die Geburt meiner Tochter. miniberlin trägt den Namen ihrer Urgroßmutter. Nein, das hier wird keine Veröffentlichung ihres Namens. Also nehmen wir mal an, sie hat so einen wohlklingenden Namen wir Ingeborg Baldachin oder Jutta Samantha. Jedenfalls, seit der Geburt und der Weitergabe dieses für mich wichtigen Namens, habe ich das Gefühl, meine Oma etwas mehr bei mir zu haben. Nicht, weil ich mit Vergabe des Namens eine Schuldigkeit erfüllt habe und nun nicht mehr gedenken oder traurig sein müsste. Nein, ich habe dem Wichtigsten in meinem Leben den Namen des bis dato wichtigsten Menschen in meinem Leben gegeben. Ein Kreis schließt sich- für mich.
Nur besondere Menschen tragen diesen Namen
Meine Oma war mir zu Kinderzeiten immer die Liebste. Ok, der Blick könnte etwas durch die stets verfügbaren Karamellbonbons und den Fernseher in ihrem Wohnzimmer getrübt sein. Aber auch ohne diese Features war sie toll. Sie kochte mir stets, was ich essen wollte. Und sei es mehrmals die Woche Nudeln. Egal. Sie hatte ein offenes Ohr für meine Kinderprobleme und sie spielte mit mir Karten. Nachtmittage lang. Ich war wahrscheinlich die beste Sechsjährige in Rommé und Räuberpassion in der gesamten Uckermark. Gemeinsam legten wir ein kleines Beet in unsrem Garten für mich an. Ich durfte mir die Blumen aussuchen und habe ihr geholfen. Einmal. Trotzdem war es „mein Beet“ und sie hat mir nie widersprochen.
Ja, diese Oma war schon die Beste. Auch als ich bei meinem ersten Liebeskummer an ihrer Schulter weinen durfte und sie mir danach sagte, dass es besser wird. Ich habe ihr damals nicht geglaubt, aber heute weiß ich: Omi, du hattest Recht.
Und deswegen trägt meine Tochter ihren Namen. Weil sie toll und da war. Mein Papa meint immer, eine wichtige Eigenschaft für diesen Namen ist Neugier. Wenn miniberlin ganz interessiert den Postboten mustert und danach alle Briefe durchschaut und in ihrer Sprache kommentiert, sagt er: Ja, Jutta Samantha Ingeborgs müssen neugierig sein. Ich persönlich tippe ja noch auf kindliche Neugier und Entdeckerdrang. Aber wenn diese Neugier auch über die Pubertät anhält, dann müssen wohl alle Jutta Samantha Ingeborgs neugierig sein. Wer weiß.
Ein sehr schöner Artikel. Wir gaben unserer Tochter als Zweitnamen den Namen meiner Schwiegermama. Als wir ihr erzählten, dass wir ein Kind planen, war sie überglücklich. Leider und immernoch unfassbar verstarb sie sehr plötzllich an Krebs. Sie hat die Kleine leider nie kennen gelernt. Wir denken natürlich sehr oft an sie und wir erzählen unserer Tochter von ihr und das sie ihren Namen trägt.
Ganz liebe Grüße an dich
Heike
Bella, so geht’s mir immer am 21.5. und am 9.3., leider hat meine Oma den Kampf gegen den Krebs mit 74 fast 75 verloren.
Das mit dem Kreis schließen fühle ich ebenso.
Ich finde das so wundervoll und wertvoll auch…ich habe meinen Vater verloren und würde so gerne meinem Sohn seinen Namen geben, aber ich denke so oft, dass ich ihm damit wohl keine Freude machen würde…nun ja…
Ja, dieser Zwiespalt dann, wenn es kein schöner Name ist, nicht? Da hatte ich Glück, meine Oma hatte einen tollen Namen, der zeitlos ist. Aber eine Ingeborg, ne? Die geht ja auch immer. ;)
Meine liebe Herzensberlinerin,
so wunderbar. So berührend – Du siehst mich hier gerade lächeln mit einer kullernden Träne -aber lächelnd. Denn Du hast Jutta Samantha Ingeborg nun so viel näher als je zuvor und der Kreislauf des Lebens beginnt von Neuem. So schön!
Wir waren auch traditioneller als wir geplant hatten. Der Zweitname der Motte stand schon vor dem ersten fest und ist der Erstname meiner Schwiegermutter (bei dem sie aber gar nicht gerufen wird, die wird bei ihrem Zeitnahmen gerufen und hat insgesamt drei). Da war die Suche nach einem ersten Namen gar nicht so einfach und als wir dann noch einen gefunden haben, der noch zum zweiten Namen meiner Mutter passte (ist die Leihform) war sie auch sehr glücklich.
Drückst Du Miniberlin einmal von mir und sag ihr, sie hat einen ganz besonderen Namen!!!
JesSi Ca
Lieben Dank meine Liebe, dein Kommentar rührt mich wirklich sehr. Ich drücke die Kleine heut einmal mehr, exklusiv für dich. :)
Ein Name mit Bedeutung – nicht nur einfach ausgesucht, weil dieser gerade „IN“ ist ….Ein sehr berührende Idee, welche deiner Oma bestimmt sehr schmeichelt – egal wo sie gerade ist. Und wie stolz wird deine Tochter erst sein, wenn sie die Geschichte zu ihrem Namen kennt und versteht. Sehr toll.
Sonnige Grüße
Jana
Ein schöner Text!
Meine Uromi hieß Ursula. Kam für uns nun leider, im Falle eines Mädchens, nicht in Frage. Aber das mit dem Gedenken, egal wo man ist…so wahr.
Danke für den schönen Text, Bella!
Wir haben kurzerhand unserem Mädchen die weibliche Form des Namens meines Schwiegervaters gegeben. Er hat sie leider nicht mehr erleben können, was umso trauriger ist, weil sie das einzige Mädchen in der Familie ist. Was mich bei den königlichen Friedrichs und Wilhelms immer wuschig macht (wer? welcher denn nun?), finde ich in der eigenen Familie schön, weil es Nähe über Generationen hinweg herstellt.
Ein wunderbarer Artikel!
Ich kann dich gut verstehen. Meine geliebte Oma starb im Alter von 82, am Freitag vor genau drei Jahren, unerwartet schnell und plötzlich. Nur einen Monat später hat sich unsere kleine Tochter angekündigt. Es war mir vorher nicht klar, aber in dem Moment, wo es hieß es ist ein Mädchen, wollte ich den Namen meiner Oma gerne weiter reichen. Unsere Tochter trägt ihn als dritten Namen, der erste ist ein moderner Rufname, der zweite eine Mischung aus den Namen ihrer Patentanten. Mir wird immer ein wenig warm ums Herz, wenn ich daran denke. Und ich hoffe, mein Kind wird mich dafür später nicht hassen ;-).