Landleben als Familie: Lisa und der Mehrgenerationenhof

14. August 2020
familieberlin
Landleben

Puh, da habe ich ja was angefangen. Zack, zieht man aus der Großstadt aufs Land, hat man wohl in ein Wespennest getroffen. Da summen die einen, die das auch gerne machen würden. Es pieksen die, die sowas niemals machen könnten. Die Gründe sind jeweils so verschieden wie unser aller Leben. Ein Landleben als Familie ist eben nicht für alle denkbar und passend. Und weil es so viele Meinungen und Geschichten dazu gibt, möchte ich diese Geschichten gerne mit euch teilen. Warum ziehen Menschen aufs Land? Warum möchten Menschen niemals aus der Stadt wegziehen? Und wie läuft das überhaupt, dieses Leben auf dem Land oder in der Stadt als Familie? Es gibt eben nicht das eine richtige Leben. Gut so. Umso wichtiger, sich mehrere Lebensmodelle und -orte anzusehen.

Den Anfang macht Lisa von Stadt Land Mama. Lisa ist der Land-Part des Blogs, dessen Name wohl schon alles sagt, während Katharina in der Stadt lebt. Beide sind sich sehr ähnlich und gute Freunde. Und dennoch geht es auf ihrem Blog auch oft um die Unterschiede in ihrem Leben. Allem voran eben auch ums Stadt- und Landleben.

Mehrgenerationenhof im Bergischen Land mit Lisa

Wer bist du und wo lebst du?

Landleben als Familie: Lisa lebt auf dem Land

Liebe Bella, ich bin Lisa, 38 Jahre alt, von Beruf Journalistin, Autorin und Bloggerin, ich bin verheiratet und wir haben drei Kinder, die zwischen 2006 und 2008 in Berlin geboren sind. Heute leben wir mit ihnen und einigen Tieren auf einem Mehrgenerationenhof im Bergischen Land bei Köln.

Wie bist du dazu gekommen, genau dort zu leben?

Auch ich wurde in Berlin geboren und wir zogen dann zu meiner Einschulung auf genau den Hof, auf dem wir heute auch wieder leben. Ich wuchs dort zusammen mit Tanten und Onkeln, Cousinen und Cousins und den Großeltern auf. Ein Großfamilienleben, das nun heute auch unsere Kinder genießen dürfen. Wir sind im Grunde auch zur Einschulung unserer Großen in mein altes Elternhaus gezogen. Zum Einen, um von einer vierspurigen Straße der Hauptstadt in ein Landidyll mit Garten und Wald zu ziehen, zum anderen, weil ich zu der Zeit ein berufsbegleitendes Studium in Köln absolvierte, das ich mit der Schule der Großen nur schwer von Berlin aus vereinbart bekommen hätte.

Fühlt es sich richtig an bzw. wo würdest du lieber leben?

Ich vermisse die Stadt in meinem Alltag schon immer noch sehr, muss ich sagen. Oder wieder ein bisschen mehr. Die Kinder sind mittlerweile zu groß für Klettergerüste oder Waldabenteuer, aber noch zu jung, um selbst zu ihren Hobbys zu kommen. Das sind auf dem Land ja immer enorme Strecken bis zum nächsten Ort. Ich bin also ziemlich viel Mama-Taxi grad. Da ich auch von zu Hause aus arbeite, fehlen mir manchmal die Menschen vor meiner Tür, die Vielfältigkeit, die Abwechslung. Wären wir allerdings nicht umgezogen, würde ich es vermutlich exakt andersherum formulieren. Ich würde mich nach der behüteten Kindheit sehnen, nach dem Garten mit Fußballtor, nach den Tieren und dem Familienessen, das wir hier jeden Donnerstagabend um 18.30h mit allen HausbewohnerInnen verlässlich zu uns nehmen. Das Gras ist halt immer grüner auf der anderen Seite und ich bin dafür einfach öfter wieder am Wochenende draußen in der Stadt unterwegs .

Wie beeinflusst dein Lebensort euer Leben?

Oh, enorm. Mit drei Kindern und Job kann man nicht dauernd weg sein, also ist der Lebensort schon sehr bestimmend. Allein, dass wir bei gutem Wetter abends auf der Terrasse sitzen, dass wir mit vielen anderen Menschen zusammenleben und immer jemanden haben, der mal mit uns Kaffee trinkt. Dass aber natürlich auch immer jemand reinkommen könnte, wenn man mal heulend am Küchentisch sitzen will. Dass viele Schul- und Sportvereinsfeste in unserem Garten stattfinden, dass ich mir gut überlege, ob ich was trinke, wenn ich ausgehe, weil das Taxi von Köln heim 60 Euro kostet. Dass ich aber auch für Dienstreisen recht flexibel bin, weil die Großeltern mit im Haus wohnen. Das alles ergibt sich aus unserem derzeitigen Wohnort.

Was ist das Tolle an deinem Lebensort?

Die Natur, die Weite, die Ruhe, die Luft, der Platz. Wir leben im Grunde im Paradies. Städter, die hierherkommen, erholen sich quasi bereits in der ersten Sekunde.

Was vermisst du dort, wo du lebst?

Vor allem Menschen. Abwechslung. Und dass mal etwas zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar wäre (wir leben auf einem Berg, direkt am Wald, ohne Nachbarn auf unserer Straßenseite, außerhalb der Ortsgrenzen, also wirklich einsam). Oder dass die Kinder einfach mal auf die Straße gehen und Freunde treffen könnten… 

Wie gehst du damit um, wenn dir etwas fehlt?

Ich träume mich weg oder ändere einfach etwas an dem Mangel, fahre halt mal öfter in die Stadt, um wieder ein bisschen Leben zu atmen. 

Ziehst du in Erwägung, bald ganz woanders zu leben?

Immer. Mein ganzes Leben lang schon. Ich bin kein Mensch, der ankommt irgendwie. Ich finde einfach vieles viel zu spannend, um es für mich komplett auszuschließen. Wenn mir jemand sagt, in zwei Monaten geht´s los und ihr lebt mal in Spanien, würde ich vermutlich nicht Nein sagen.

Was bedeutet dein Lebensort für deine Familie?

Er ist mir Heimat. Und den Kindern auch. So viele Erinnerungen und Erlebnisse. Dieser Ort atmet Geschichte und strahlt wirklich viel Wärme aus. Und trotzdem, so n Jahr Weltreise wär halt auch toll, ne? Aber gern mit der Garantie, dann hier hin zurückkommen zu können…

Hast du einen Rat für Familien, die gerade aufs Land ziehen?

Manchmal ist es gar nicht so leicht, auf dem Land in bestehende Strukturen reinzukommen. Viele kennen sich schon ewig. Da ist es gut, offen zu sein und geduldig und sich erstmal umzuschauen, denk ich. Ich hab schon ein bisschen das Gefühl, dass Neuem in der Stadt mit Aufmerksamkeit und Neugier begegnet wird und auf dem Land eher mit Skepsis. Die Sozialkontrolle ist da zum Teil auch einfach höher, das finde ich schon schade, weil ich sehr freiheitsliebend bin. Aber das ist natürlich komplett pauschalisierend. Bei mir war es am Anfang so, dass ich mich vor allem mit anderen Zugezogenen viel traf und wir recht schnell eine kleine eingeschworene Truppe wurden. Neben meinen alten Freundinnen von früher natürlich, die mir noch immer viel bedeuten.

Liebe Lisa, danke für deine offenen Worte. Ich erkenne mich jetzt schon in einigen wieder und bin gespannt, wie wir an unserem neuen Lebensort ankommen.

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