Kindliche Wut ist das, was wir draus machen

27. Februar 2019
familieberlin
Gedanken | Kleinkind

„Kind, wasch dir jetzt bitte endlich die Hände“, sage ich genervt in bestimmten Ton. Vermutlich zum zehnten Mal, gefühlt zum 100. Mal.

„Mama! Nicht so böse sein!“ 

„Ich bin nicht böse! Aber es ist mir jetzt einfach zu viel!“

„Mama, mir auch alles so viel!“

Tränen. Viele. Von einer Zweijährigen. Ich nehme sie in den Arm und frage, was mit ihr los ist. Und sie antwortet:

„Ich weiß nich(t). Mir alles so viel.“ 

„Bist du wütend Schatz?“


„Ich glaube, ja, ich bin wütend. Mir is’ alles sooo viel!“ 

Gefühle. Schwere Kost für uns Menschen, denn sie sind immer da. Über den Umgang mit Ihnen lässt sich streiten. Es gibt unzählige Wege, mit Gefühlen klar zu kommen und noch mehr Möglichkeiten, sie zu zeigen. Meine Familie zum Beispiel ist von außen betrachtet recht unemotional, schon in meiner Kindheit. Gefühle wurden früher selten gezeigt und erst Recht nicht thematisiert.

Was passiert, wenn man nicht über Gefühle redet?

Wut? Zeigte sich in harten Äußerungen oder in Schweigen. Ärger? Der war stumm mit scharfem Blick. Liebe? Puh. Freude? Innerlich tobten sie sicher alle. Nicht so einfach, mit Gefühlen klar zu kommen, wenn man sie nie gespiegelt bekommt. Wenn man nicht lernt, was das da eigentlich ist, was in einem passiert und raus will. Und noch schwieriger, wenn Gefühle generell mit „Ist doch nicht so schlimm“ oder „Hab dich nicht so“ abgetan werden.

Ich habe über 30 Jahre gebraucht, um diese Gefühlswelt einigermaßen zu greifen, oft scheitere ich noch. Und dann sitzt da meine Zweijährige in meinen Armen und ihr ist das da zu viel. In ihr drin. Sie glaubt, dass sie wütend ist. Und ich lasse sie. Ich lasse ihr ihre Tränen und ihre Art, sie zu äußern. Laut, schrill und mit zusammengezogenen Augenbrauen. Denn Wut braucht auch ein Gesicht, oder? Weil ich weiß, wie anstrengend Wut sein kann. Weil ich weiß, wie unerklärlich dieses Gefühl im Bauch ist und weil ich lange dafür brauchte, zwischen Wut, Angst, Ärger und all dem zu unterscheiden.

Wie zeige ich meinen Kindern Gefühle?

Wer lesen kann, weiß nun, dass ich kein Experte in Gefühlssachen bin. Und doch weiß ich zwei Dinge:

  1. Dass Gefühle in jedem Menschen sind.
  2. Wie es Kindern geht, die nicht von ihren Eltern lernen, was das da in einem drin ist und wie man damit umgeht.

Nun möchte ich nicht die Erwartungshaltung prägen, dass Eltern ihren Kindern alle Gefühle erklären oder gar abnehmen sollten. Aber sie dürfen nie niemals das, was in ihnen passiert, klein reden. Sie stürzen und tun sich weh? Ja, das kann in den Augen eines kleinen Kindes schlimm sein. Sie kneifen oder beissen gar vor Übermut? Ja, das kann Freude sein, wenn auch falsch artikuliert. Sie weinen, nach außen ohne wirklichen Grund? Ja, vielleicht ist es Wut oder Ärger oder auch Trauer, aber was es ist, können sie allein nicht greifen. Und jede Art von Gefühl hat eine Berechtigung.

Wie zeige ich Kindern also diese Tiefen und Facetten aller Gefühle? Aus eigener Erfahrung und ohne fundierten Hintergrund kann ich sagen: Durchs Vorleben. Das sage ich nicht aus einer Laune heraus oder weil ich mir vorstellen könnte, dass es richtig ist. Ich sehe es an meinen Töchtern. Ich sehe, wie sie versuchen, die Weiten aller Gefühle zu verstehen, weil sie sehen, dass Gefühle normal sind.

Auch Eltern dürfen Wut zeigen – in Maßen

Geht es um Freude und Glück, können Menschen das recht schnell greifen. Das Lachen entsteht nahezu von allein im Gesicht, das Kribbeln im Bauch fühlt sich gut an, der Kopf ist voller positiver Gedanken. Doch wie ist das mit Wut, Angst und Ärger? Meine Kinder lernen, dass auch ich diese Gefühle kenne. Ja, ich werde wütend. Ich ärgere mich über das, was meine Kinder anstellen und ja, ich habe auch Angst – um Menschen, Dinge oder vor bestimmten Situationen.

Doch all das mache ich nicht mit mir aus oder unterdrücke es. Ich spreche mit ihnen drüber – kindgerecht und wenn es passt. Denn niemand ist perfekt und bleibt immer ruhig, weder ich noch meine Kinder. Und so werde ich auch mal ungehaltener, wenn meine Kinder nach mehrmaligem Bitten noch keine Schuhe anhaben oder sie ihr Müsli lieber auf dem Tisch verbreiten, statt es zu essen. Dann bin ich lauter und meine Sätze werden knapper. Das ist der Situation in dem Moment vielleicht nicht zuträglich. Das weiß ich. Doch ist diese Wut verraucht und hat im Zweifel auch den kindlichen Gegenwind ausgehalten, dann sitzen wir meist zusammen…auf dem Boden zwischen den Schuhen oder am müsliverschmierten Tisch.

„Kind, tut mir leid, dass ich so ungehalten war. Ich war wütend, weil wir schon längst loswollten und es nicht klappte.“

„Mama, und mir tut es leid, dass ich noch nicht angezogen bin. Ich habe im Kopf dieses Lied gehabt, das musste ich fertig singen.“

„Das habe ich gemerkt. Vielleicht finden wir beim nächsten Mal einen anderen Weg? Du ziehst dich an und singst dabei? Und tut mir leid, dass ich so laut war.“

„Ich weiß, Mama. Aber wenn man wütend ist, dann ist man manchmal laut. Dann brodelt das im Bauch wie im Nudeltopf. Und der kocht dir ja auch immer über und dann zischt es laut.“

Nun wisst ihr es: Ich bin weder Expertin in Gefühlsdingen, noch im Nudeln kochen. Aber ich gebe mein Bestes. In beidem.

Wir lernen Gefühle auch über Bücher kennen. Unsere Favoriten findest du HIER.

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