Tarifstreik 2019 im Kindergarten: Ein Interview

28. Januar 2019
familieberlin
Kindergarten

In Berlin wird gestreikt. Doch diesmal sind es keine Bahnmitarbeiter oder Piloten, sondern ErzieherInnen und PädagogInnen in öffentlichen Kindergärten und Schulen. Ihre Forderungen: Anpassung des Tarifvertrages und eine Erhöhung der Löhne. Das ist nicht wenig und dennoch vollkommen verständlich: Was ErzieherInnen leisten, darf nicht unbeachtet bleiben. Um den Streik und alles dahinter besser zu verstehen, habe ich Sabine vom Blog Mum and still me und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag einige Fragen gestellt.


Dank des Gute-Kita-Gesetzes sollen bis 2022 5,5 Milliarden Euro in Kindergärten investiert werden. Warum gehen die Gewerkschaften und die ErzieherInnen und Sozialpädagogen dennoch auf die Straße? Schließlich kommt doch perspektivisch mehr Geld.

Der Hauptgrund für den Streik liegt darin, dass die Berliner Erzieherinnen im Vergleich zu ihren Kolleginnen aus dem Umland weniger verdienen. Sie, bzw. die Gewerkschaft GEW fordern mindestens 200 Euro mehr im Monat. Das Geld aus dem Gute-KITA-Gesetz hat damit nichts zu tun, denn es geht um eine Angleichung der Löhne im Rahmen der Tarifrunde. Für die ist als quasi Arbeitgeber die Tarifgemeinschaft deutscher Länder zuständig. In Brandenburg wiederum werden die Fachkräfte nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienst bezahlt – der eben mehr zugesteht. Der TVöD betrifft die Angestellten des Bundes und der Kommunen. Berlin als Bundesland fällt da nicht mit rein.

Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft, Berliner Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz (SPD) sieht angesichts der Gehaltsforderung rot. In einem Pressestatement meinte er, die Forderungen der GEW seien überzogen und würden die Länder insgesamt mehr als 8 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Unabhängig davon aber – ja, das Gute-KITA-Gesetz wird einen kleinen, zeitlich begrenzten Geldsegen bringen. Die Bundesländer erhalten bis 2022 Zuschüsse, die sie nach Gusto einsetzen können. Der Berliner Senat etwa liebäugelt damit, Kita-Leitungen zu unterstützen und Quereinsteiger*innen besser zu qualifizieren. Beschlossen ist das aber noch nicht.

In Berlin fehlen KiTa-Plätze, nicht zu knapp. Viele sagen, es liegt daran, dass es keine Erzieher gibt. Was ist da dran?

Das scheint daran zu liegen, dass die Bezahlung für diesen harten und anstrengenden Job einfach nicht reizvoll genug ist – insbesondere weil die Kolleginnen in Brandenburg aufgrund der tariflichen Unterschiede deutlich mehr verdienen. Wieso also sollte man in Berlin arbeiten? Auch in unserer Kita werden verzweifelt Fachkräfte gesucht. Im Prenzlauer Berg zum Beispiel wohnen kaum Erzieherinnen, weil die Mieten dort so explodiert sind. Deshalb haben die Kitas dort noch mehr Schwierigkeiten Leute zu finden. Die Kitas in den Randbezirken wiederum verlieren die Leute verständlicherweise an Brandenburg.

Ich persönlich ärgere mich über die sture Haltung der Arbeitgeberrunde – es geht hier ja nicht um eine Umgehungsstraße oder irgendein Großbauprojekt – es geht um einen offensichtlichen Misstand, eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Leute, die Tag für Tag unser Wertvollstes liebevoll durch den Tag begleiten. Du hast dazu ja einen sehr schönen Beitrag geschrieben.

Hat die Politik Einfluss auf Streiks wie dem der GEW u.a. und auf deren Forderungen?

In meinen Augen ist die Entscheidung, wieviel die Länder ihren Angestellten und Beamt*innen bezahlen möchten durchaus eine politische Frage. Pikant ist es in dem Fall besonders, weil ausgerechnet der Berliner Finanzsenator Verhandlungsführer mit den Gewerkschaften ist. Das birgt politisch also einiges an Stoff innerhalb unserer Stadt. Trotzdem kann Berlin auch nicht in einem Alleingang sagen, „Ja, wir zahlen jetzt mehr.“ Zumindest solange nicht, solange es Teil des Zusammenschluss der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ist, deren Mitgliederversammlung über solche Leitlinien beschließt. Aber der Senat kann sich in dem Gremium klar positionieren und die spezielle Lage verdeutlichen. So wie momentan kann es jedenfalls nicht weiter gehen.

Ich erinnere mich, in Süddeutschland waren vor zwei Jahren monatelang Streik, dass Eltern schon Verständnis verloren. Warum werden Kindergarten und Schulen nicht auf Bundesebene organisiert? Schließlich werden da Grundsteine für die spätere Bildung gelegt.

Ja, das frage ich mich auch immer. Schließlich sind doch Kinder einfach Kinder, egal ob sie in Süddeutschland oder im Norden leben. Da gibt es so vieles, was einfach für alle gleichermaßen gilt. Aber – dass der Bund sich nicht in die Bildungspolitik einmischen darf ist im Grundgesetz geregelt und ein Überbleibsel aus der Nachkriegszeit. Der Bund sollte zur Zeit der Grundgesetzentstehung nicht zentral so eine große Verantwortung übertragen bekommen, um Missbrauch vorzubeugen.

Das Thema ist übrigens ganz aktuell: Gerade will der Bundestag mit großer Mehrheit (alle außer der AfD haben zugestimmt) Geld für digitale Bildung an deutschen Schulen investieren. Allerdings muss dafür eben das Grundgesetz angepasst werden. Da die Bundesländer sich ungern in ihren Kram reinreden lassen, hat sich der Bundesrat beim „Digitalpakt Schule“ aber quer gestellt. Am 30. Januar startet der Vermittlungsausschuss – es bleibt also spannend.

Was können Eltern nun tun, wenn sie vom Streit betroffen sind? Mitstreiken, unterstützen, Mails schreiben an Abgeordnete oder Unterschriften sammeln?

Ja, alles davon – unbedingt und gerne. Adressatin dieser Beschwerden muss dann in dem Fall eben die Tarifgemeinschaft sein. Es ist sicher sinnvoll, wenn Druck nicht nur von der GEW und den Gewerkschaften, sondern auch von uns Eltern kommt. Beziehungsweise wenn wir den Erzieher*innen klar unseren Rückhalt geben.

Die Demo zum Streik findet am Dienstag, den 29. Januar um 9 Uhr auf dem Dorothea-Schlegel-Platz am S-Bahnhof Friedrichstraße.
Ich persönlich bin nicht so ein Fan davon, mit den Jungs lange draußen in der Kälte zu stehen, zumindest solange mein Jüngster noch so klein ist – aber werde sicher auch meinen Kanal nutzen, um auf die Lage hinzuweisen.


Danke liebe Sabine und ich sehe es sehr ähnlich: Mit den Kindern bei den Temperaturen auf die Straße gehen, ist mir zu heikel. Aber ich nutze genauso meine Kanäle und meine Reichweite, denn so kann es nicht bleiben.

Weitere Infos:
Unter diesem Bild von Sandra Runge alias Smart Mama findet ihr alle Infos, die euch als Arbeitnehmer betreffen. Ebenso lesenwert ist ihr Artikel dazu.
Hier nochmals ein guter Artikel zum Gute-Kita-Gesetz bei Mummy Mag.
Stets aktuelle Infos zum Streik sowie generell zur Kita-Krise in Berlin aufgrund mangelnder Betreuungsplätze findet ihr hier, ebenso wie Infos, was ihr aktiv tun könnt!

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