Start in den Kindergarten: Eine Erzieherin über die Eingewöhnung

25. August 2017
familieberlin
Kindergarten

Auch wenn ich viel lese, schreibe und auch drüber rede: eine Expertin bin ich in vielen Gebieten nicht. So auch beim Thema Eingewöhnung. Zwei Kinder, und damit zwei Eingewöhnungen, machen mich mich noch lange nicht zur Expertin. Deswegen habe ich jemanden gefragt, der sich damit auskennt, nämlich eine Erzieherin. Inga lebt und arbeitet in Hamburg, ist eben Erzieherin in einem Kindergarten und schreibt auf Mama in Hamburg  über das Leben mit Kind in der Großstadt im Norden. Sie war so lieb und hat mir einige Fragen zum Start in den Kindergarten und der Eingewöhnung beantwortet. 

Eine Erzieherin über die Rolle der Eingewöhnung

Du bist Erzieherin in einer Krippe: welche Rolle hast du in der Eingewöhnung eines Kindes? 

Am ersten Tag der Eingewöhnung bin ich genauso aufgeregt wie die Eltern. Immerhin kommt da gleich ein mir bisher unbekannter kleiner Mensch durch die Tür und soll dann innerhalb weniger Wochen so viel Vertrauen zu mir aufbauen, dass er hier gern den Tag verbringt, bei mir Trost sucht, sich gern von mir wickeln lässt, sich von mir ins Bett bringen lässt, hier isst, trinkt, spielt und eine tolle Zeit hat. Mit der Eingewöhnung beginnt für die Kinder ein neuer Lebensabschnitt, sie werden Kita-Kind und haben einen ganz neuen Tagesablauf. Das sind viele Veränderungen auf einmal und es ist immer wieder aufs Neue spannend, die Kinder auf ihrem Weg zu begleiten. In der Eingewöhnung liegt der Fokus auf dem Vertrauensaufbau, aber auch über die Eingewöhnung hinaus begleite ich das Kind als Bezugserzieherin in seiner Entwicklung bis es mit drei Jahren in den Elementarbereich wechselt. Da wird es noch viele spannende Momente geben und manchmal ist die Bindung so stark, dass sie über die Kita-Zeit hinaus bestehen bleibt. Eines meiner ehemaligen Eingewöhnungskinder wird nächsten Monat 8 Jahre alt und wie jedes Jahr bin ich zum Geburtstag eingeladen.

Wo liegen die Herausforderungen für dich?

Die Herausforderung liegt darin, dass ich – ganz bewusst – zuvor wenig Informationen über das Kind habe. Ich kenne den Namen und das Alter, mehr will ich vorab nicht wissen, um völlig unvoreingenommen an die Sache heranzugehen. Jede Eingewöhnung bringt die Aufregung mit sich, ob es mir gelingen wird, das Herz des Kinder zu erobern, sein Vertrauen zu gewinnen. Bisher hat es immer geklappt. Falls es aber in einer Erzieher-Kind-Konstellation mal so gar nicht funken will, haben wir auch die Möglichkeit, zu wechseln. Das ist das schöne daran, wenn man unterschiedliche Menschentypen im Team hat, die zwar alle sehr professionell und herzlich sind, aber eben auch alle unterschiedlich in ihrer Persönlichkeit.

Welche Erfahrung hast du mit den Eltern gemacht?

Meistens sind die Eltern am ersten Kita-Tag viel aufgeregter als das Kind. Viele Eltern müssen beim ersten Trennung, die so etwa 10 Minuten dauert, weinen, während ihr Kind vergnügt spielt. Das zeigt mir dann immer deutlich, dass wir die Eingewöhnung auch für die Eltern machen, nicht nur für die Kinder. Um das eigene Kind stundenweise in andere Hände zu geben, braucht es viel Vertrauen und es ist eben auch Ziel der Eingewöhnung, dieses Vertrauen der Eltern zu gewinnen.

Dann gibt es wiederum Eltern, die drücken mir am ersten Tag der Eingewöhnung das Kind in den Arm und müssen los zur Arbeit. Obwohl mit ihnen vorab der Ablauf der Eingewöhnung besprochen worden ist. Ich muss dann an dieser Stelle alles nochmal erklären und oftmals Kompromisse finden, die möglichst wenig Belastung für das Kind bedeuten.

Was können Erzieher tun, um es dem Kind zu vereinfachen?

Wichtig ist in der Eingewöhnung Ruhe und Kontinuität. Ich bin mal am dritten Tag der Eingewöhnung krank geworden, das ist nicht optimal, aber es passiert. Dann ist es wichtig, dass eine andere Kollegin einspringt und dass es keine weiteren Wechsel gibt. Die anderen Kollegen lernen Eltern und Kind noch früh genug kennen, aber am Anfang steht der Vertrauensaufbau zu einer neuen Person im Vordergrund. Deshalb ist es hilfreich und wichtig, wenn die Kolleginnen derjenigen, die die Eingewöhnung macht, den Rücken freihalten und sie sich mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit dem Eingewöhnungskind widmen kann.

Was können die Eltern tun, dass es einfacher wird?

Je entspannter die Eltern an die Sache herangehen, desto entspannter sind auch die Kinder. Am ersten Tag sind die Eltern meist sehr aufgeregt, das ist auch total okay. Aber natürlich merken die Kinder das und wenn sich Eltern dauerhaft nicht wohlfühlen, klammern die Kinder sich auch mehr an sie. Da hilft es, den Eltern zu erklären, dass es fast allen Eltern am Anfang so geht und dass sowohl ihr Verhalten als auch das des Kindes völlig normal ist. Oft werden die Eltern dann lockerer, wenn sie hören, dass es allen am Anfang so ging.

Während der ersten Tage sind die Eltern nah beim Kind und bieten immer einen sicheren Rückzugsort. Jedes Kind ist anders, manche krabbeln sofort los, andere sitzen die ersten drei Tage auf dem Schoß der Eltern und schauen sich alles aus sicherer Entfernung an. Beides ist völlig okay. Die Eltern bieten dem Kind die Sicherheit und den Schutz, den es braucht und somit optimale Voraussetzungen für das Kind, sich auf Erkundungstour zu begeben.

Es gib verschiedene Modelle für die Eingewöhnung. In Berlin sind es 4 Wochen, in anderen Bundesländern z.B. nur eine Woche. Macht die Zeit etwas aus oder liegt es an der Gestaltung der Eingewöhnung?

Wir gewöhnen in Hamburg auch nach dem sogenannten „Berliner Modell“ ein, das sieht eine Eingewöhnungszeit von 4 Wochen vor. Wir sagen den Eltern, dass es auch mal 6 Wochen werden können, denn manchmal werden die Kinder während der Eingewöhnung krank und dann dauert es meist ein bisschen länger. In den allermeisten Fällen sind die Kinder aber nach zwei Wochen schon mehrere Stunden ohne die Eltern in der Kita. Sie gelten aber trotzdem noch als Eingewöhnungskinder, die mehr Aufmerksamkeit und Begleitung brauchen, einfach, weil sie noch so neu bei uns sind.

Wie schnell die Eingewöhnung abläuft, ist auch davon abhängig, ob das Kind 5 Stunden bei uns verbringen soll – und davon 2 Stunden Mittagsschlaf macht – oder ob es einen Kitaplatz von 7 bis 17 Uhr hat. Auch das Alter bzw der Entwicklungsstand spielen eine Rolle dafür, wie schnell es mit der Eingewöhnung geht. Wer gerade mitten in der Fremdelphase steckt und auch noch vier neue Zähne bekommt, hat es meist ein bisschen schwerer.

Ich finde die Zeit von 4 Wochen durchaus angebracht, damit sowohl das Kind als auch die Eltern mit einem guten und sicheren Gefühl in die Kita gehen. Ich möchte ja nicht, dass die Eltern verzweifelt bei der Arbeit sitzen und sich Gedanken machen, ob es ihrem Kind auch gut geht, sondern ich möchte ihnen Zeit geben, genug Vertrauen aufzubauen, so dass sie sagen können „Mein Kind ist in der Kita gut aufgehoben.“ Auch für das Kind sind 4 Wochen eine gute Zeit um Vertrauen aufzubauen, eine neue Umgebung und einen neuen Tagesablauf kennenzulernen und die anderen Kindern und Kolleginnen kennenzulernen. Das ist wahnsinnig viel Neues und manchmal sind 4 Wochen auch einfach nicht genug.

Lieben Dank Inga!

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