Alle alle?

23. August 2017
familieberlin
Gedanken

Donnerstagmorgen, wir sind spät dran und es ist noch so viel zu tun. Das Frühstück steht auf dem Tisch, die Kinder sind noch im Schlafanzug und in 45 Minuten müssten wir auf dem Weg sein. Kindergarten, Eingewöhnung, Termine. Während die Große schimpft, weil sie zu wenig Müsli hat, pfeffert das Baby ihre Flasche über den Tisch, der Saft kippt aus, die Butter fällt runter. Natürlich mit der buttrigen Seite zum Fußboden. Während all das passiert und ich nebenbei mit gefühlt acht Armen versuche, den Ball in der Luft zu halten, gehe ich im Kopf die nächsten Aufgaben durch.

Wenn alles schwarz wird

Ich muss per Email den Termin beim Kinderarzt bestätigen, telefonisch ein Interview klären und überhaupt, müsste ich mal wieder Tante Märry anrufen. Und während ich alles so plane und durchdenke, wird der Bildschirm schwarz. Das Handy, auf dem ich gerade alles akribisch tippte, ist leer. Alle alle. Mein Plan ist dadrin, denn mein Kopf ist zu voll und zu müde, um alles zu behalten. Das klingt übertrieben? Nach mehreren Wochen ohne wirkliche Unterstützung, ohne tiefen erholsamen Schlaf und mit mindestens einem Kind auf dem Arm, ist mein Kopf nicht zu vielen Denkleistungen im Stande. Nicht umsonst ist es hier manchmal ruhiger als angebracht .

Auch wenn ich ein paar wichtige Dinge noch zusammen kriege, ohne Handy wird es nichts von unterwegs. Die Mail kann nicht auf dem Weg getippt werden, während des Spaziergangs kann ich nicht lange telefonieren . Mein Plan und dessen Werkzeug ist leer. Alle alle.

Geht Mama auch leer?

Während also das große Kind vor Weinen und Wüten vergisst, das Müsli überhaupt anzurühren, patscht das Baby fröhlich im verschütteten Saft. Zusammen mit der Butter entsteht ein köstlicher Brei…findet das Baby und verteilt ihn zwischen Esstisch, Küche und Bad. Ich stehe dazwischen und merke selbst, dass ich schneller reagieren müsste. Aber ich kann nicht. Was, wenn auch ich mal leer bin, alle alle? Was, wenn ich hier in dem Chaos, in dem ich dringend gebraucht werden, mal nicht mehr funktioniere?

Ich stelle mir vor, wie ich einfach mal zusammensacke, mein Bildschirm schwarz wird und dann? Alle alle. Manchmal fühle ich mich so, nach besonders vielen Tagen und harten Nächten ohne Hilfe. Wenn der Mann mal wieder länger arbeiten ist und die Oma keine Zeit hat. Wenn alle Nachbarskinder weg sind und auch der Kindergarten doof ist. Dann denke ich darüber nach, wie es wäre, wenn mein Akku leer ist.

Wenn ich auf Rufen mal nicht reagiere und die Tränen nicht sofort trocknen kann. Wenn einfach mal alles liegen bleibt und niemand die Wäsche macht. Dann stelle ich mir meine Kinder vor, die doch noch so klein sind und das nicht verstehen. Sie verstehen es nicht, dass ich nur zwei Arme haben. Die eine lernt es noch, Geduld zu haben, für die kleinere ist Warten ein Fremdwort. Mamas Arme sind zum Halten da, zum Füttern und zum Kuscheln. Sie sind doch da, immerzu.

Bewusstsein schaffen

Wenn meine einzige Pause am Tag erst abends um 22 Uhr ist, dann frage ich mich manchmal: wann ist mein Akku leer? Alle alle, so richtig. Der ruhige Moment für mich könnte nun 10 Minuten dauern oder zwei Stunden. Ich weiß es nicht. Ich versuche, so viel es geht in ihn zu packen und habe am Ende nichts davon. Denn schreiben, lesen, denken und eine Serie schauen, passen weder in zehn Minuten noch in zwei Stunden. Dann habe ich nichts davon gehabt, von meinem Moment. Ich wollte zu viel, denn ich habe zu wenig. Für mich, also nur für mich. Alles gebe ich, alles teile ich, sogar die Toilette und den Schlaf.

Denn wenn man keine Pause hat, dann merkt man erst, wie wichtig man sich selbst auch sein muss.

Mutter Burnout, kraftlos, keine Energie mehr, Leben mit Kindern, kleine Kinder, geringer Altersabstand, Kraft am Ende, Familienleben

Es ist nicht immer Urlaub.

Ist der Akku auch erschöpft, leer darf er nicht sein. Für niemanden, auch nicht für einen selbst. Es hilft nicht, wenn man nur funktioniert und zwischen sich und der Welt eine dicke Wand aus Watte ist, die alles verschleiert, verlangsamt und weich erscheinen lässt. Auch wenn die Pausen nicht mehr und nicht länger werden, denn manchmal ist eine Woche, wie sie ist. So sollten die Pause bewusst genutzt werden, egal ob zum Schreiben, lesen ODER vor sich hin starren. Eines reicht, nicht alles zusammen, auch wenn es verlockend klingt. Dann hat man zwar weniger geschafft, aber vielleicht ist der Akku dann wieder voller, wenn auch nur ein bisschen. Denn alle alle, das darf er nie sein!

Was macht ihr in der stressigen Zeit, in der ihr euch wirklich nicht rausnehmen könnt? Wie sorgt ihr für euch und was hilft?

Liebe Grüße
eure Bella

Übrigens habe ich aus diesem Beitrag eine wichtige Erkenntnis bekommen.

14 Kommentare

  1. Ich gehe spazieren, schiebe das Kind und laufe einfach. Gut für meinen Kopf und das Gemüt. Das Handy bleibt dann in der Tasche und ich halte meinen Kopf in die Sonne. Pass auf Dich auf. Alu

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  2. Mir hilft manchmal, wenn alles schief läuft und ich sehr müde bin, Musik an zu machen. Ein schönes Lied, das mir gefällt. Dann tanzt der Große, der Kleine wird ruhig … und ich kriege neue Energie und gute Laune:) planbare Entladtungen sind toll. Wenn die Oma / zumindest einen Monat lang / immer freitags kommen kann. Der Große montags mit zu einem Freund geht. Raus gehen – aus dem Alltag – tut mir gut. Auch wenn ich mich zu müde fühle, ein Wochenend-Ausflug ins Grüne gibt allen neue Kraft. Ist es bei dir viell. möglich, einmal die Woche auszuschlafen? Am Wochenende?
    Vorkochen ist auch prima- dann fällt eine Sorge schon mal weg. Könntest du jemanden mit deinen Mädels besuchen fahren? Und : würde dir eine Putzfrau helfen, die einmal die Woche Grund reinbringt? Das machen grad viele in meinem Umkreis. Wünsche dir ganz viel Kraft, viele lustige Momente, viel Lachen und dass alle in deiner Familie spüren, wie sehr sie geliebt werden! :)

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  3. Danke für deinen Artikel, er passt gerade sehr gut Du fragst was wir dann so machen und ich will dir ganz ehrlich antworten, manchmal einfach weinen, da lösen sich Anspannungen und irgendwie kann das echt erfrischend sein. Es staut sich so viel an, ich renne so angespannt durch den Alltag manchmal und wenn ich dann einfach mal geheult habe, geht es oft am nächsten Tag erstaunlich viel besser, weinen entspannt und hat für mich rein gar nichts mit schwäche zu tun und selbst wenn, ich finde wir müssen nicht 24/7 und immer die Starken mimen. LG aus Seoul. Johanna

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  4. Hach ich suche noch immer diese Momente in denen ich vollkommen abschalten kann. Manchmal wird mir dieses Summen und Surren, dieser ständige Informationsfluss zu viel… ich muss dringend da raus und das ohne(!) mit andere Projekte außerhalb des Grundrauschens zu suchen. Denn auch hier ist ein Alle alle unmöglich. Nicht allein der Kinder wegen, sondern auch der Firma….

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  5. Kind länger in der Kita lassen, mit dem Baby hinlegen. Putzhilfe. Oma. Einen Tag die Woche im Wechsel Kitafreundin mitnehmen. Termine absagen. Mich fragen: Muss das jetzt wirklich sein? Essen bestellen statt kochen. Einen Tag am Wochenende mit den Kindern weg und den Mann Haushalt machen lassen…was dabei, was Dir helfen könnte? Pass auf Dich auf!

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  6. Ich gehe dann auch viel mit dem Kind in der Karre einfach durch die Felder spazieren. Schön durchatmen. War mir die letzten Wochen leider nicht gelungen. Da hat der Körper mit Fieber die Notbremse gezogen. Pass bitte auf dich auf. Ich achte jetzt auch wieder mehr auf mich.

    Glg

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  7. Ich weiß genau wovon du sprichst. Bei mir kam dieser „Akku leer“Punkt ja letztes Jahr. Ich habe mittlerweile gelernt mehr auf mich zu hören/zu achten und zwinge mich kleine Auszeiten zu nehmen. Gut, hier verstehen das die Kinder schon etwas besser mit 7 und 5j, aber ich hätte es schon viel früher so machen müssen.

    Meinen Akku lade ich am liebsten beim Kaffee mit ner Freundin auf. Schön schnattern und merken das jeder ziemlich ähnliche „Probleme“ hat ❤

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  8. ich gehe mit dem Sohn raus… wohin ist eigentlich egal, aber dort lenkt mich kein Handy, kein Telefon und kein Haushalt ab und ich kann mich ganz auf ihn konzentrieren und werde dann entspannter und wir haben Spaß und mein Kopf wird freier.

    LG

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  9. Diese Momente habe ich zum Glück nicht mehr, da meine Kinder schon 3 & 4 Jahre alt sind. Aber zu Beginn mit Baby und Kleinkind war mein Akku oft leer. So richtig. Zum Glück hatte mein Mann mehr Energie als ich und wir konnten das gemeinsam irgendwie stemmen. Pausen hätte ich in der Zeit auf jeden Fall zum Schlafen genutzt.

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  10. Eigentlich kommentiere ich nicht in Blogs, aber hier muss ich einfach. Ich kenn das zu gut. 2015 war es bei mir soweit. Zu dem Zeitpunkt waren meine Kinder 14, 7, 4 und 3. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich war am Ende. 14 Jahre schon keine Zeit für mich und schon gar nicht mit meinem Mann zusammen (damit meine ich nicht den Alltag, da ist er natürlich dabei. Ich meine das wir.)
    Ich schrie meine Kinder eigentlich nur noch an, war ständig müde und launisch. Ich habe eine Mutter -Kind-Kur beantragt. 5 Tage später hatte ich schon die Zusage. Da ich unbedingt an die Ostsee wollte dauerte es nochmal ein halbes Jahr bis wir gefahren sind, aber es war das beste was ich machen konnte.
    Ich habe mich bewusst für eine kleine Klinik entschieden, wo die Kinder (hätte die 3 Kleinen mit, der große blieb Zuhause) fast die ganze Zeit in Kindergruppen waren (Mo-Fr von 7:30 – 14:00 und von 17:00-18:00; Sa und So 7:30/8:00 – 12:00 und 17:00-18:00). Sie haben alle Mahlzeiten getrennt von mir gegessen. Das war so eine Wohltat, endlich mal warmes Essen ohne das man ständig aufstehen muss um den Kindern noch was zu holen oder zu helfen.
    Ich habe mich Jahre gegen eine Kur gewährt, ich wollte nicht ohne Mann so lange weg von Zuhause, bis zu dem Zeitpunkt wo der Akku eben einfach ALLE war. Ich freu mich schon auf die nächste. Ich hoffe das ich nächstes Jahr wieder mit 2 Kindern fahren darf. Kind 1 ist zu alt und Kind 2 möchte nicht mit in die Kur. Sie darf dann bei Papa bleiben.

    Ich kann dir und jeder Mama nur empfehlen, beantragt eine Kur. Die paar Stunden am Tag wo ihr euch nur um euch kümmern dürft nimmt soviel Stress von einem, so das man sich auch wieder auf die Kinder freut und nicht morgens die Augen auf macht und man nur wieder denkt. Ohhh Nein es geht gleich wieder los.

    Ganz liebe Grüße
    Yvonne

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  11. Es sind schon so viele tolle Tipps gegeben worden. Ich hätte vielleicht noch einen zum Essen kochen (lassen). Ich habe für uns den Slow Cooker entdeckt, das ist kein Schnell- sondern ein Schonkochtopf, der mit max. 90Grad unbeaufsichtigt über Stunden ganz alleine Essen kocht. Morgens alles an Zutaten rein, einschalten und nach der Arbeit ein leckeres, schonend gegartes Essen vorfinden. Teuer sind die Teile auch nicht (weeeiiiiiit entfernt von Thermomix und Co.), sicher und energiesparend. In Großbritannien und USA sind sie – wie ein Toaster oder die Kaffeemaschine- ganz normaler Haushaltsbestandteil. Guck doch mal, ob dir so ein Koch nicht auch schon etwas helfen kann. Alles Gute, Barbara

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  12. Liebe Bella, bei mir war Anfang des Jahres, nach der Geburt meines zweiten Kindes, der Akku „alle alle, so richtig alle“. Darauf bin ich jedoch nicht selbst gekommen, nein, der Körper, hat wie bei so vielen Mamas, die Bremse eingelegt und so bin ich in eine psychische Störung hineingerutscht. Das Einzige was mir, neben Therapie und Medikamenten, wirklich geholfen hat, war das sporteln, kein Leistungssport, nur ganze 20 Minuten joggen in der Natur rund drei Mal in der Woche. Es hat mir die innere Hektik genommen immer auf alles viel zu schnell reagieren zu wollen. Denn man kann sich auch in normaler Geschwindigkeit seinem weinenden Kind oder Baby zuwenden und muss keine Schneise der Verwüstung hinter sich lassen, um ja nur sofort zur Stelle zu sein, weil man ansonsten vielleicht ein schlechtes Gewissen bekommt (um nur eine absurde Situation im verrückten Mama Alltag zu schildern).
    Ich hoffe Dir geht es ganz bald wieder besser, dass wird es bestimmt.
    Alles Liebe Line

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    • Danke für Deine Worte. Es tut, wie bei allen anderen Kommentaren, gut zu wissen, dass es nicht nur mir so geht. Ja, Sport ist nun anfänglich auch meine Oase und es tut gut!

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  13. Alle, alle. Manchmal fühl ich mich so. Immer auf der letzten Reserve. Und wenn ich im Bett liege oder nachts mal wach werde geht das Gedankenkarussell los. So viele Sorgen, OPs, Verluste von lieben Menschen, die Gewissheit dass in naher Zukunft wieder ein enges Familienmitglied gehen muss, dazu die nächsten Sorgen um die Gesundheit und dazu Alltag mit den Kids, arbeiten, ehrenamtliches und vielen Terminen. Nein sagen ist auch oft sehr schwer.
    Ich hoffe auf eine Auszeit. Eine Kur ist beantragt. Bevor der Akku wirklich schlapp macht!

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  1. Die Freitagslieblinge mit Lieblingssteinen und Legosteinen Dänemark - […] den Kindern geschrieben. Zudem hat mich der Artikel von Bella Familieberlin berührt der sich mit den Gedanken Alle, alle beschäftigt…
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