Vom Hetzen und Ankommen

23. Juni 2015
familieberlin
Gedanken

Vor kurzem haben mich miniberlin und herrberlin von der Arbeit abgeholt. Gemeinsam standen wir dann in der Sonne an der Spree in Mitte und herrberlin sagte: Lass uns doch hier irgendwo was Essen gehen. Ich schaute auf die Uhr, es war 17:30 Uhr und in mir spielte ein Film ab….miniberlin wird auf dem Rückweg einpennen…ich muss noch etwas besorgen….die Wäsche wird nicht vor dem Zubettgehen fertig…ich muss noch….HALT. Ich merkte, wie sich aufgrund dieser Frage meine eigenen Gedanken überschlugen. Dabei stand doch nur die Frage nach dem Abendessen im Raum. Ich musste mich selbst wieder auf den Boden holen, mich erden. herrberlin sah wohl den inneren Film und fragte „Warum nicht?“.

Uhr

Mein Leben tobt…zumindest meine Gedanken

Ja, warum eigentlich nicht? Wer oder was hält mich von ab? Die Antwort ist einfach: Ich selbst. Ich stehe mir im Weg und treibe mich zusätzlich selbst an. Das kann nicht funktionieren. In diesem Moment wird es mir wieder bewusst. Es spricht nichts dagegen, wenn das Kind mal später ins Bett kommt. Und habe ich nicht neulich erst einen Abschiedsbrief an die Ordnung geschrieben? Da gehört doch auch die Wäsche dazu. Wie oft komme ich schon dazu, mit meinem Mann und meinem Kind Essen zu gehen. Und damit meine ich nicht die Ausflüge in benachbarte Restaurants oder einen Imbiss. Ich meine ein Restaurant, mitten in der Stadt, die wir lieben, deren Namen wir tragen. Aus diesem Grund sind wir damals nicht raus gezogen, in den berühmten Gürtel aus Speck, weil wir nicht wollten, dass unser kulturelles Leben dann vorbei ist. Wir wollten weiterhin Dinge unternehmen, spontan sein. Das sind wir, nur meist ohne den anderen. Boah, ihr merkt, in der kurzen Zeit sprangen eine Menge Gedanken durch meinen Kopf. Schnell Denken, kann ich.

Wie ankommen, wenn man sich selbst im Weg steht?

Jetzt im Nachgang bekommt diese Situation noch eine andere Dimension. In letzter Zeit merke ich immer wieder, dass ich renne. Körperlich, gedanklich, ich bin immer in Bewegung. Und das schnell. Ich hetze, weil ich denke ich muss. Niemand anders wird mich aber beim Ankommen mit offenen Armen empfangen, das muss ich auch selbst machen. Nur wie soll ich jemals vor mir da sein? Erst recht, wenn ich mir selbst im Weg stehe. Viele werden jetzt vielleicht denken, ja, so ist das mit Kind. Nein, so ist das nicht! Mein Kind ist nicht „Grund“ oder Auslöser fürs Hetzen, es hilft mir eher anzukommen. Ich bin der Grund. Ich genieße nicht mehr den Moment, sondern hetzt von Augenblick zu Augenblick. Ohne innehalten, weil ich denke, ich muss funktionieren.

War ich nicht diejenige, die vor dem Wiedereinstieg in den Job eine Liste der Sachen veröffentlicht hat, die mich runterholen und beim Entspannen helfen soll. Wenn ich ganz ehrlich bin, mache ich davon zwei bis drei Dinge…ab und zu. Ich gehe nicht regelmäßig zum Yoga, auch wenn mich mein Kalender wöchentlich an den Termin im Studio erinnert. Der Kurs findet statt, aber ich bin nicht dabei. Meine kleinen Spa-Rituale gönne ich mir, wenn es hoch kommt, einmal im Monat. Den Rest der Zeit ist Duschen wirklich nur ein kurzer Moment der Ruhe, aber keine Entspannung. Tee? Klar, gerne, aber eher zum Durst löschen, nicht zum Genießen. Und wenn ich mir meine Pläne für Häkeln, Nähen und Co anschaue, kann ich nur beschämt den Kopf senken. Denn ich mache das nicht mehr. Warum eigentlich nicht? Ich weiß es nicht.

Ab wann überträgt sich der Stress aufs Kind?

Ich hetzte durch meinen Alltag als wäre es ein Marathon und mir fallen keine triftigen Gründe ein. Arbeit? Ja, schon. Hobbies, auch, aber die stressen nicht. Andere Verpflichtungen? Wer hat die nicht. Ich mache es (noch) nicht zu Lasten meines Kindes, lasse ihr ihre Zeit und hoffe, sie nicht damit anzustecken. Aber mal ehrlich, wie lange wird sie noch unberührt davon bleiben? Mit ihren 16 Monaten fängt sie schon an, uns nachzueifern, vorzuführen. Sie läuft mit einer Fernbedienung oder anderen Dingen am Ohr durch die Wohnung, nickt eifrig und sagt „Ja…ja…ja“. Da ich nicht gern telefoniere, imitiert sie wohl ihren Vater. Wenn sie denn aber mal mein Telefon oder Tablet in die Hand bekommt und es vor sich hoch hält, als würde sie SCHNELL ein Bild machen, dann muss ich mir wohl an meine eigene Nase fassen. Wie lang also wird sie noch von meinem Wettlauf mit mir selbst unberührt bleiben? Ich möchte nicht, dass mein Kind schon jetzt in diesen Strudel mitgerissen wird. Das kann ich aber nicht verhindern, indem ich SIE davor beschütze, sondern indem ich mich wieder etwas entschleunige. Entschleunigung, dieses neue Trendwort, das wohl so langsam ist, dass es meine Worterkennung noch nicht kennt. Nun denn, dann entschleunige ich mich mal etwas und gönne mir eine gute Tasse Tee, ohne Hektik.

Liebe Grüße
eure Bella

2 Kommentare

  1. du sprichst mir aus der Seele! Erst gestern habe ich darüber nachgedacht, dass ich viel viel zu wenig genieße, immer alles plane und mir so gerne so viel von meinem entspannten Mann abschauen will. Aber irgendwie ist man seit Jahren halt so wie man ist – kann man da gewohnte Muster einfach durchbrechen???

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  2. Das von dir beschriebene Gedankenkarusell kenne ich nur zu gut… „Wenn ich jetzt nicht wie geplant XY mache, dann passiert…“ … ja was eigentlich? Die Welt bricht nicht zusammen. Dann sieht es halt mal nicht wie geleckt in der Wohnung aus. Seit Wochen frage ich mich, warum ich mir ständig solch einen Druck mache. Ab und an schaffe ich es mir schon bewusst Zeit ohne die Gedanken „Du musst aber noch…“ zu nehmen, aber so richtig zufrieden bin ich noch nicht. Trotzdem bin ich optimistisch- meiner Familie und mir zu liebe werde ich weiter an mir arbeiten :-)

    viele Grüße
    Frischkäse-Geschmiere

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