„Gleich mein Schatz!“ – Über Ungeduld, Warten und neue Grenzen

2. August 2016
familieberlin
Familienleben | Kleinkind

„Mama, bitte mit spielen?“ „Gleich mein Schatz, ich muss erst noch deine Schwester füttern.“ miniberlin nickt, verzieht kaum eine Miene, und doch sehe ich in ihren Augen ein bisschen Traurigkeit, denn wiedermal muss ich mein Kind vertrösten. Seit dem 1.7. gibt es ein Wort für sie, was viel zu oft fällt: Gleich. Egal, in welchem Zusammenhang, es heißt für sie: Mama hat keine Zeit für mich. Das macht sie traurig und wenn ich ihre Augen dann sehe, mich auch. Doch ich kann mich nicht zerteilen, auch nicht gleich.

Das Kind vertrösten: Ein Wort, so viele Möglichkeiten?

Oft benutze ich das Wort liebevoll, denn ich weiß, wie schwer ihr das Warten fällt. Oft benutze ich es willkürlich und unbewusst, denn auch für mich ist dieses Wort seit der Geburt von babyberlin erst in den Fokus gerutscht. Gleich. Aber oft benutze ich es auch ungeduldig, manchmal schroff. Wenn miniberlin nicht warten kann, wegen einer Lapalie ungeduldig ist oder einfach nur jetzt ihren Willen möchte. Gleich. Ich bemühe mich um einen ruhigen Ton, gewählte Worte und ganz viel Gelassenheit…für mich. Und merke immer wieder, dass ich an meine Grenzen komme. Wie ich meinem Kind seine Ungeduld vorwerfe, meiner Zweijährigen. Wie ich mir insgeheim wünsche, sie würde es sehen, wie ich mich gerade zerteile. Für sie, für ihre Schwester. Doch sie sieht nur das Buch, welches ich ihr gleich vorlesen möchte und oder den Turm, welchen wir gleich bauen können.

Doch Gleich hat kein Maß, keine Einheit. Gleich kann fünf Minuten dauern oder auch eine Stunde. Und egal, wie lange es dauert, für Kleinkinder ist es immer eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, bis Mama spielt, vorliest oder ohne Baby kuschelt. Für mich als Mama ist Gleich, die einzige Möglichkeit, mir einen kleinen Puffer einzuräumen, zwischen Kind 1 und Kind 2. Er funktioniert nicht immer, oft endet er mit einem schreienden Kind auf dem Boden, einem wimmerndem Baby auf dem Arm oder/und einer verzweifelnden Mama mittendrin. Und egal wie groß meine Verzweiflung auch ist, ich weiß, sie ist temporär und ich kann sie einordnen. Sie ist nicht schön und ich glaube auch, dass ich in den letzten Wochen optisch um einige Jahre gealtert bin.

Auch als große Schwester ist man noch ein kleines Kind

Wer aber nicht gealtert ist, ist miniberlin. Sie ist immer noch zwei, auch als große Schwester. Das muss ich mir immer wieder vor Augen führen, denn ich merke auch, wie meine Erwarungshaltung gegenüber meiner Großen gestiegen ist. Nur, weil sie nun die Große meiner beiden Kinder ist, ist sie trotzdem noch ein kleines Kind. Ein Kind, was Zeit noch nicht einordnen kann, was seine Mama noch genauso viel braucht und auch Aufmerksamkeit zu Recht für sich einfordert. gleich, nein sofort. Klar, Geduld muss sie lernen, aber nicht von jetzt auf gleich. Ich darf meine große Kleine nicht überfordern und die Erwartungen zu hoch stellen. Ich merke, gerad, dass ich es tue und hoffe, dass sich das mehr jetzt als gleich ändern wird. Wir müssen viel lernen, wir zwei.

Denn auch ich muss lernen, wie das so ist mit zwei Kindern. Es ist weniger ordentlich, weniger geregelt und viel chaotischer. Gäste müssen sich an unsere „Ordnung“ gewöhnen, Außenstehende an meine Augenringe. Wir werden in nächster Zeit wohl nicht mehr zu den Pünktlichsten gehören und mindestens einer von uns Eltern wird einen Fleck auf Schulterhöhe haben. Oder auch auf der Hose, wenn miniberlin nicht bis gleich warten wollte zum Händewaschen. Dann werden wir eben gleich ankommen, gleich aufräumen und uns gleich auf den Weg machen. Denn Gleich hat ja keine Einheit und kein Maß.

Liebe Grüße
eure Bella

3 Kommentare

  1. Ich habe Tränen in den Auge . Tränen der Rührung, der Hilflosigkeit und der Liebe. Du bist eine so wunderbare Person. Ein wunderbarer Mensch und beide Mädchen machen Dich noch viel stärker. Weil DU ihre Mutter bist. Weil Du Dich reflektierst und selbst in unsicheren Momenten Bella bist. Weil Du ihre Mutter bist! Du wundervollste von allen – egal ob jetzt oder gleich.

    Ich wünschte gerade ich könnte Dir diese Worte ins Gesicht sagen und dabei in Deine Augen schauen. Denn ich glaube – manchmal muss man einer Mutter einfach mal sagen wie wundervoll sie ist! GLEICH! JETZT! In diesem MOMENT!

    Liebe für Dich, Miniberlin, Babyberlin und den tollen Mann mit dem Bart!!
    Ich drücke Dich von und im Herzen!!!

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  2. Oh du bringst es wunderbar auf den Punkt. Hier ist das große Geschwister einen Monat nach der Geburt von K2 zwei geworden. Gerade zwei. Schon zwei. Es wird soviel Tolles gemacht: Beim Wickeln geholfen, Spucktuch geholt, Baby gekuschelt und gedrückt und doch werde ich viel zu oft ungeduldig. K1 ist halt immer noch gerade erst 2. Und braucht auch Mama. Und auch wenn K2 jetzt schon (erst) 12 Wochen alt ist, bin ich immer noch in der Sortier- und Lernphase.

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  3. Ich habe viel geweint in der Anfangszeit mit zwei Kindern. Aber es wird besser. Lass alles liegen, was keine Dringlichkeit hat. Wer braucht schon Ordnung. Kannst du in allen Situationen stillen? Oder gibts du die Flasche? Ich habe es schon bald so gemacht, dass ich mich mit dem Stillkind und „großem Bruder (18 Monate) immer im Kinderzimmer in eine kuschlige Ecke auf den Boden gesetzt habe und parallel vorgelesen habe. Oder ich habe mir Lego anreichen lassen und mitgebaut. Dann musste ich das blöde Gleich nicht so oft sagen. Ich habe auch auf oft dem Boden gewickelt oder den Bruder mit auf den Wickeltisch gesetzt und mir immer alles anreichen lassen, was man braucht. Trotzdem gab es natürlich noch genug GLEICH und SPÄTER. Aber es entspannte uns alle etwas. Und im Zweifelsfall hab ich mitgeweint und dann haben wir alle zusammen gekuschelt.
    Halte durch. Du wirst das gut machen!
    LG Beatrice

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  1. Einmal ist keinmal – Gedanken zum zweiten Kind – Noob|Born - […] das schlechte Gewissen was ich gegenüber dem älteren Kind erwartet hatte, fast ganz ausblieb. Nur manchmal überschätze ich das…

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