Die Welt entdecken: Lasst Kinder fragen stellen

25. April 2016
familieberlin
Kleinkind

Kürzlich erlebte ich eine Situation in der Bahn, die war sehr befremdlich für mich. Sie ließ mich hellhörig werden und auch darüber nachdenken: was, wenn mein Kind anfängt, Fragen zu stellen?

„Mama, wie wollen die Medien eigentlich…“ Die genaue Frage habe ich leider nicht komplett mitbekommen, es kamen aber sicher noch die Worte Merkel und Flüchtlinge darin vor. Sie war sicherlich interessant und zeigte, dieser Junge von vielleicht 10 Jahren befasst sich mit dem Weltgeschehen! Warum ich die Frage nicht hörte? Weil die Mutter sofort auf ihren Sohn schoss: „Sag mal, kannst du endlich aufhören, Fragen zu stellen?“

Auf die Antwort des Sohnes, sie wisse doch viel mehr als er und er würde es gern von ihr wissen, antworte sie nur: „Wir sind hier doch nicht bei ’ner Quizshow, du kannst doch einfach ’ne Meinung haben ohne alles mit Wie und Warum anzufangen. Du weißt doch eh immer alles besser!“. Ruhe, auf beiden Seiten. Nur mein Mund blieb offen stehen.

Das Gesicht des Jungen hat sich eingebrannt. Der Blick senkte sich, er nahm sein Handy und machte Musik an. Die Mundwinkel wanderten nach unten, Lippen eng aufeinander gepresst. Während er nach einem langen Schultag sein Telefon in der Tasche hatte und mit seiner Mama reden wollte, hob sie nicht mal den Blick von ihrem. Nur der scharfe Ton wies das Kind in seine Grenzen. Ihre Grenzen. Denn eigentlich sollten Kinder keine Grenzen in ihren Fragen erleben. In ihrer Neugier!

Kleinkinder stellen Fragen, auf ihre Art

Auch wenn ich noch einige Jahre Zeit habe, bis miniberlin gesellschaftskritische oder politische Fragen stellt, so fragt sie schon. Mit ihren etwas über zwei Jahren, kennt sie noch kein „Wieso, weshalb, warum?“, sie hat ihren eigenen Weg. Genauer gesagt hat sie zwei:

DAS? Mit diesem einfachen Wort und einem leichten Anheben ihrer Stimme signalisiert sie mir: Ich will wissen, was DAS ist, was DAS kann und wie ich DAS benutzen kann. Sie zeigt mit ihrem Finger darauf und der Erklärbar in mir muss erwachen.

MAMA, GUCKE MAL! Damit ist weniger sofort eine Frage gemeint, aber doch möchte sie mit mir etwas bereden, diskutieren, untersuchen oder es auch einfach nur zeigen. Manchmal möchte sie auch nur ein „Oh, du bist aber hoch geklettert“ hören, manchmal möchte sie wirklich wissen, was das denn da ist, was sie gefunden hat. Mit diesem einfachen Satz holt sie mich zu sich und wir entdecken die Welt.

Verschiedene Meinungen helfen, die Welt zu verstehen

Ich kann meiner Tochter noch nicht mit einer Gegenfrage antworten oder sie fragen, warum sie denn meint, dass etwas so ist. Aber ich kann sie ernst nehmen. Ich kann ihr die Welt erklären, die schon jetzt so groß, bunt und auch oft unverständlich zu sein scheint. Und sei es meine Meinung oder Sicht der Dinge. Vielleicht ist es nicht immer einfach nur ein Schmetterling sondern eine ganz seltene Sorte, wer weiß. Und vielleicht gibt es in ihrer Sprache eine ganz eigene Beschreibung für den Geschmack von Erdbeeren oder warum der Baum keine Blätter hat.

Kinderfragen sind wichtig, denn sie zeigen uns, das nicht immer alles logisch, einfach und schnell ist. Vieles ist nicht so sonnenklar, wie es Medien, Ratgeber und auch Erzieher erklären. Und selbst wenn, so ist die Meinung der Eltern doch eine ganz Besondere. Denn mit uns leben Kinder zusammen! Sofern sie nicht immer derselben Meinung sind, so lernen sie durch uns doch als erstes, dass es mehrere Meinungen gibt. Dass Fragen unterschiedliche Antworten haben können. Sie lernen, sich mit verschiedenen Meinungen auseinander zu setzen, sich daraus ihre eigene zu bilden und zu reflektieren. Vielleicht noch nicht mit zwei, aber sicherlich mit zehn oder zwölf Jahren.

Doch mit zwei Jahren legen wir definitiv den Grundstein und die Basis für das Gefühl: hier werde ich ernst genommen. Und wenn miniberlin mit mir durch den Park spaziert und beim 100. Stein noch immer fragt „DAS?“ und ich antworte „DAS ist eine gestreifte Giraffe mit Trommel“, dann weiß sie dass ich scherze und wir lachen gemeinsam, denn bis zum 99. Stein und ab dem 101. Stein nehme ich sie ernst. Versprochen!

Wie geht ihr mit Fragen eurer Kinder um? Klar, sie nerven ab einer gewissen Häufigkeit. Gerad dann interessiert mich: wie reagiert ihr dann?

Liebe Grüße
eure Bella

10 Kommentare

  1. Als ich noch keine Kinder hatte fand ich es tatsächlich auch etwas nervig ständige Fragen meines kleinen Bruders oder von Babysittkindern zu beantworten. Inzwischen habe ich zwei zu Hause, die ständig die verrücktesten Fragen stellen. Zum Beispiel, wie die Bojen in die Mosel kommen, wie das dann genau mir den Schiffen funktioniert und ob wir mal nachschauen können ob unter dem Wasser Sand oder Steine sind. Sie stellen den ganzen Tag Fragen. Und ich habe tatsächlich Spaß beim beantworten. Ich finde es schön, ihnen die Welt zu erklären. Und wenn ich was nicht weiß, schlage ich meist vor es nach zu lesen.

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  2. Hallo!
    Mir wäre in dieser Situation der Mund ebenso offen stehen geblieben..Kinder SOLLEN fragen! Und zwar viel!!!
    Mein Sohn stellt mir manchmal zehnmal die gleiche Frage hintereinander…bis ich ihn irgendwann frage: „Was habe ich gerade gesagt/erklärt?“ Dann wiederholt er es und grinst. Niemals würde ich ihn zurecht weisen, den Mund zu halten!!!?

    Liebe Grüße, Julia

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  3. Du hast so Recht. Fragen ist wichtig – nur so werden unsere Kinder selbstständig und unabhängig. Klar, manchmal ist man auch genervt von der Fragerei – ich versuche dennoch der Motte immer zu antworten. Und wenn es gerade so gar nicht passt, dann verspreche ich Ihr, dass ich später darauf antworte und erkläre, warum es gerade nicht geht.

    Die Worte hier hättest Du nicht besser wählen können. Und Dein Plädoyer habe ich gleich mal auf meiner FB-Seite geteilt!!

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  4. Das ist ein wichtiges Thema. Ich finde auch man sollte alle Fragen ernst nehmen. Manchmal ist eine Situation ungünstig, dann sage ich zu meinem 5Jährigen er soll sich die Frage unbedingt merken und mich dann zu Hause nochmal in Ruhe fragen. Ich würde mir die Frage ebenso merken. Sei es weil es an dem Ort wo wir gerade sind zu laut ist um in Ruhe zu erklären, oder man es eilig hat, man noch eine kindgerechte Erklärung zusammen legen muss oder aber dieses Thema nicht so öffentlich besprechen möchte.
    Man kann eine Frage vertagen.
    Ansonsten muss man sich immer deutlich machen, dass Kinder nicht das wissen was wir schon wissen. Alles ist neu. Wie sollen sie die Welt verstehen, wenn man ihre Fragen nicht beantwortet?
    Es ist auch ok, wenn man sagt: „Ich weiß darauf keine Antwort. Aber ich weiß, wo wir nachsehen können oder wen wir fragen können.“ Da schafft man sofort die Kompetenz sich Informationen zu beschaffen. Dabei entdeckt man selbst auch noch etwas Neues.

    Wissensdurst sollte man stillen. Immer!

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  5. Ich finde vor allen Dingen, dass wir Erwachsene viel zu wenige Fragen stellen…Ich finde es spannend zu hören, was das Kind gerade beschäftigt – und mir fällt auf, wie viel ich nicht (mehr) weiß. Warum Sand am Meer ist, ob die ganze Erde aus Stein ist oder wie Elefanten schlafen. Das ist doch das Großartige am Elternsein: die zweite Chance, die Welt zu entdecken :-)

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  6. Hi, also meine 2-jährige nervt mich eigentlich nie mit den Fragen. Im Gegenteil: ich bin Froh das ich sie noch beantworten kann. Im Gegenteil dazu fragt die 11-jährige schon ganz schön schwierige Sachen. Auch die Nerven nicht. Wenn ich was nicht weiß finden wir es zusammen raus. Aber was nicht nervt sind total merkwürdige Fragen wie: Was glaubst du wieviel IPhones noch rauskommen? Und was ich nicht nervig sondern traurig finde. Sind Fragen wir liebst du mich mehr oder weniger als meine Geschwister usw. Sie kommt nur am Wochenende zu uns und ich glaube das sie verunsichert ist und deswegen immer solche Fragen stellt obwohl wir ihr es oft sagen und zeigen…

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  7. Hallo
    Bei uns ist es so das unsere 11 jährige durchaus auch schon Politische Themen mit mir diskutiert. Wir bekommen regelmäßig eine Tageszeitung die sie auch schon zum Teil list, was ich auch unterstütze. Da mir das was sie zum Teil in der Schule behandeln mir einfach zu seicht ist.
    Vor einem Jahr haben wir zum Beispiel auch angefangen komplett auf Plastik Tüten zu verzichten. Wir hatten es den Kindern erklärt und da sie nicht weiter nachfragten das Thema damit erstmal gut sein lassen.
    Dann kam das Thema nachdem Einkauf mal wieder auf, die Frage meiner Tochter: Mama wenn die so schlimm für die Umwelt sein sollen warum werden die nicht verboten?
    Unter meiner Erklärung für Plastikstruddel in den Meeren konnte sie sich nicht richtig etwas vorstellen. Darauf hin besorgte ich den Film Plastic Planet. Wir schauten ihn gemeinsam.
    Und eine Frage dannach fand ich besonders toll, : Wieso müssen nicht die Hersteller für die Schäden aufkommen die Plastik produzieren? Ich sagte ihr das der Einfall toll und richtig wäre, die Politik in diese Richtung leider nicht aktiv wird.
    Nachdem Verhalten was du in der Bahn mitbekommen hast wundert es mich nicht mehr wie so manches Wahl Ergebnis heut zu Tage zustande kommt.
    Liebe Grüße
    Desiree

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    • Das finde ich toll. Gerad durch diese Fragen werden vielleicht manchmal Lösungen für uns Erwachsene gezeigt, die wir vorher nicht sahen. Wenn auch nicht auf großer Ebene, dann doch auf kleiner…bei uns daheim. Danke!

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  8. Ich habe als Kind meinen Opa mal gefragt warum der Himmel eigentlich blau ist … Mein Opa war mit der Frage etwas überfordert und hat mir versprochen die Antwort auf meine Frage beim nächsten Treffen nachzuliefern und er hat Wort gehalten, sich bei genau belesen und es mir danach kindgerecht erklärt. Das ist schon viele Jahre her und die genaue Erklärung habe ich zu meiner Schande wieder vergessen :-), aber was mir in Erinnerung geblieben ist, ist das er jede Frage von mir ernst genommen hat und sich Mühe gegeben hat. Ich hoffe ich finde im Alltag auch immer die Zeit und manchmal auch die Nerven, um die Fragen meiner Kinder immer ernst zu nehmen und sie zu beantworten so gut ich es halt kann… Noch drehen sich die Fragen mehr um den Osterhasen und um die Existenz des Weihnachtsmannes :-)Aber ich war gerade mit meiner Familie 2 Wochen in einem Kinderhotel zum Urlaub machen. Was man da erlebt und beobachtet ist zum Teil so traurig. Da werden nicht nur keine Fragen beantwortet, sondern Kinder beim Essen kommentarlos vor ein Handy gesetzt mit einer Schüssel Pommes oder ein Kleinkind nur per Leine durch die Hotelanlage „geführt“. Natürlich waren es nicht alle Familien, aber ich könnte mit den ganzen Eindrücken glaub ich jetzt ein Buch schreiben.

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  9. Vielen Dank für den Beitrag! Ich finde es auch so wichtig, dass wir unsere Kinder sehen und sie ernst nehmen! Sie haben nur uns als Vertraute! Klar, haben wir auch schlechte Tage, das können wir aber den Kindern authentisch sagen. „Mir geht es gerade nicht so gut, ich werde mir deine Frage merken und sie heute Abend beantworten…“
    Lg Andrea

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