Von Reue, Vereinbarkeit und dieser ganzen Kacksch***

9. April 2015
familieberlin
Mamasein

Ich habe lange überlegt, ob ich mich in diesen ganzen Diskussionen um #regrettingmotherhood zu Wort melde, ob ich meine Meinung zur Vereinbarkeit von Job und Familie oder den Anforderungen an Mütter niederschreibe. Denn bisher war ich immer der Meinung, ich bin dazu die Falsche. Doch mittlerweile bin ich aufgeregt. Auch wütend. Denn alle Mamas sind irgendwie angesprochen und jede fängt an, sich zu rechtfertigen oder sogar zu nicken.

Ja, ich bin Mutter.

Aber ja verdammt, ich bin es mit Leib und Seele, Herz und Nieren und jeder verdammten Zelle. Ich habe diese Entscheidung bewusst getroffen und lebe mit allen Konsequenzen, auch den Negativen. Ich sage nicht, dass ich nicht auch mal gern „Party machen will“ oder mal nur Zeit für mich haben möchte. Aber ich weiß einfach, wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Was soll ich mir was wünschen, was gerad nicht funktioniert? Weil mein Kind die fünfte Nacht in Folge schlecht schläft, weil sie aktuell nichts essen will und damit alles Essbare gegen die Wand pfeffert.

Ich habe keine Lust, aber…

Weil ich gerad keine Lust habe, wieder zwischen Heim, KiTa und Büro hin und her zu hetzen. Weil ich mal wieder die Frage zu hören bekomme: „Ja Frau Berlin, wo wollen sie eigentlich in 5 Jahren stehen?“ Keine Ahnung, muss ich denn immer alles wissen? Kann man nicht einfach mal versuchen, etwas auf sich zukommen zulassen, ohne Planung und ohne Ansprüche?

Lange war ich ein Mensch, der immer alles totgedacht hat, ich habe Dinge meilenweit im Voraus geplant, bedacht oder mit Sorgen belegt. Ich habe die Vergangenheit analysiert, Gespräche reflektiert und mir Vorwürfe gemacht. Doch das ist es nicht. Ich habe gemerkt: ich lebe im Hier und Jetzt und da ist es genau richtig. Und wenn es das nicht ist, muss ich was ändern, dass es richtig wird. Und wenn ich es nicht ändern kann, dann muss ich damit leben und mich damit abfinden. Zu kurz gedacht? Zu naiv? Zu einfach? Vielleicht. Aber FÜR MICH funktioniert es. Klar, ich könnte Reue empfinden, weil ich immer noch keine Mega-Karrierefrau bin oder weil ich meinen Doktor nicht gemacht habe. Aber was habe ich JETZT davon, außer schlechte Gefühle und Reue? NICHTS.

Zuviel auf den Schultern der Mütter

Nun ist das Problem dieser Debatte um #regrettingmotherhood tiefgründiger, als meine simple Theorie. Ihr könnt oft nichts mehr daran ändern, dass ihr Eltern seid. Ihr werdet nicht auf einmal aufwachen, merken dass ihr unglücklich seid und eure Kinder aussetzen. Niemand wird sich dieser Debatte so sehr stellen, dass er zum Fazit kommt, seine Kinder waren eine falsche Entscheidung und er müsse etwas tun, dass es besser wird. Ich glaube, hier liegt auch gar nicht der Kern des Problems.

Das Problem liegt einfach an all den Dingen, die zu allen Seiten auf Mütter einprasseln. Diese Diskussion um Vereinbarkeit und Ansprüche an Mütter. Jeder soll verfügbar sein, variabel. Viele Kinder und Karriere, das ist das Idealbild. So viele Sachen, die aber auch verunsichern. So sehr, dass einige zum Schluss kommen, sie hätten niemals Mama sein sollen?  Vielleicht. Aber ist es denn verwunderlich, dass wir als Mütter ins Zweifeln kommen? Von Beginn der Schwangerschaft an hat jeder ANDERE Fragen, Wünsche, Anforderungen an das Leben der Mütter. Jeder meint, sich ins Leben einmischen zu müssen und seine Sorgen noch zusätzlich auf den Schultern der vielleicht schon unsicheren Mama abladen zu müssen.

Wie, du willst stillen?
Was, eine normale Geburt? Das wirst du bereuen.
Du hast keine Angst vor der Geburt? Bei uns war es so und so… das hätte ich anders gemacht.
Wann willst du wieder arbeiten?
Und, wann kommt das zweite?
Tja, Karriere liegt nun erstmal auf Eis.
Schlaft, solange ihr noch könnt.
Du bleibst wirklich ein Jahr lang zu Hause?
Lebst du eigentlich noch, oder biste jetzt nur noch Mutti?
Warum wirfst du dein Leben weg?

Klopft uns doch einfach mal auf die Schulter

Das ist nur eine Auswahl an allem, was ich von Bekanntwerden der Schwangerschaft bis heute hören durfte. Daran sind Freundschaften zerbrochen, Karrierewege umgeplant worden und Einstellungen wurden neu justiert. Es sind Ängste entstanden. Aber eines ist daraus bestimmt nicht entstanden: Reue. Was jedoch mit diesen und allen anderen Fragen auch hoch kam ist Unsicherheit. Nein, nicht was den Umgang mit meinem Kind angeht. Unsicherheit, ob ich allen Anforderungen gerecht werde.

Man kann heut nicht einfach mehr nur Mama sein. Man ist heut so viel mehr. Liebe, Freundschaft, Beruf, Familie. Alles ist eins und doch will jeder sein Stück vom Kuchen für sich beanspruchen. Jeder möchte die perfekte Bella im Job, die perfekte Bella als Partnerin und die beste Freundin haben. Wenige nehmen es hin, wenn DIE MUTTER nicht perfekt ist. Niemand legt einem die Hand auf die Schulter und zeigt Verständnis. Alle wollen die perfekte Mama. Aber wisst ihr, wer keinen Wert auf Perfektionismus legt: das Kind. Meinem Kind ist es egal, wie ich aussehe oder ob ich mit ihr 10 Strophen Kinderlieder auswendig kann und nebenbei noch tanze. Meinem Kind ist es egal, ob ich das perfekte Haus male und ob es auch ja pünktlich ins Bett kommt.

Was meinem Kind nicht egal ist, ist, wenn ich keinen Kopf für sie habe, wenn ich in Gedanken woanders bin oder mitten im Spiel noch etwas anderes mache. Mein Kind will einfach nur Mama bei sich haben, ohne Ansprüche. Ja, ich bin Jungmama. Ja, mit 14 Monaten haben Kinder noch weniger Ansprüche als vielleicht mit 5 Jahren. Oder muss ich sagen: andere? Aber bis sie 5 ist habe ich noch Zeit, mich frei von Ansprüchen zu machen. Mir vorzunehmen, diese Zwänge abzulegen.

Na und, dann mache ich eben erst mit Ende 30 Karriere. Vielleicht mache ich auch nie Karriere, so wie andere es verstehen. Vielleicht werde ich es auch irgendwann bereuen, dass ich nicht meinen Doktor gemacht habe. Aber ich werde definitiv nicht da stehen und sagen, dass ich es bereue, Mama geworden zu sein. Denn nein, jeder hat eine Wahl, die er treffen kann. Ich kann entscheiden, ob ich aufstehe oder liegen bleibe. Ich darf entscheiden, was ich sage oder verschweige und ich konnte eben auch entscheiden, ob ich Kinder will oder nicht.

Das musste einfach mal raus.

Liebe Grüße
eure Bella

6 Kommentare

  1. Danke für diesen tollen Beitrag Bella! Ich habe die Diskussion auch verfolgt und gerade für mich als Schwangere ist es manchmal wirklich ein Graus was man da zu lesen bekommt.
    Schade, dass viele Erwachsene vergessen, was es heißt Kind zu sein, was in Kinderaugen wichtig ist und in eine Spirale des Konkurrenzkampfes schmeißen. Vereinbarkeit an sich ist in meinen Augen möglich, aber eben nicht 100% in allen Bereichen – da sollten wir viel ehrlicher sein. Und das Problem an dem Hashtag finde ich: Manchmal genervt sein vom Mamasein ist ok, aber es bereuen, das ist ein ganz anderes Kaliber.

    Und was diese ganzen Horrorkommentare angehen – da könnte ich jedes Mal in die Luft gehen, wenn noch jemand kommt und mich fragt wie ich das denn später mit den Ferien regeln will… Mein Kind ist noch nicht mal auf der Welt und ich soll jetzt schon meinen Masterplan schmieden? Ich frage dann immer: Wie haben eure Eltern das denn geschafft? Also nur weil Kinder später mal so viel Ferien haben werden keine Kinder bekommen… das klingt für mich ja immer sehr logsich…
    So, woozaa :). Alle Aufregung bringt ja am Ende doch nichts. Also nochmal: Beide Daumen hoch für deinen Text und deine Einstellung und ganz sonnige Grüße,
    Klaudia

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    • DANKE! :) Du hast Recht, es wird schon so kommen, wie es eben kommt und man findet einen Weg. An werdende Mamas habe ich dabei auch gedacht, was müssen die wohl denken, was für ein Horror auf sie zukommt. NEIN. Es wird toll, es wird großartig, es wird scheiße, es wird schwer. Die ganze Bandbreite, ohne Pausetaste und Weg zurück. So ist das nunmal. LG Bella

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  2. Liebe Bella, ich finde deinen Beitrag super. Ich habe ihn vorhin im Wartezimmer beim Arzt gelesen und seither ist er mir nicht aus dem Kopf gegangen.
    Ich finde es toll, dass du im HIER UND JETZT leben willst, denn das ist doch was gerade in diesem Moment wichtig ist und zählt. Natürlich kann man angestrengt dran feilen, wo wir in 5 Jahren stehen wollen. Aber meist kommt eh alles anders als man es plant. Gerade seitdem ich ein Kind habe, wird mir das immer mehr bewusst. Deshalb finde ich, dass du dir das ruhig bewahren darfst, das „im Moment leben“ und das „mal sehen, was die Zukunft bringt“. Denn KOPFLOS oder GEDANKENLOS bist du dadurch noch lange nicht. Ich erinnere mich noch oft daran, wie viele Gedanken ich mir während meiner Schwangerschaft gemacht habe, wie das wohl mit Kind so wird. Und??? Es kam doch alles ganz anders. Und ich HASSE diese Sprüche der Menschen a la „NA du wirst dich schon noch umschauen, wenn dein Kind erstmal da ist“. Haha. DAS will man doch in diesem Moment genau NICHT hören. So viel Realismus bitte nicht. Bitte etwas mehr Optimismus. Hach, ich könnte ewig hier schreiben. Sorry ;-)
    Was mich sehr berührt hat: Dass unsere Kinder uns auch unperfekt lieben. Dass sie uns so lieben und vergöttern wie wir sind. Das ist doch ein wirklich schöner Gedanke. Für alle anderen wollen wir immer perfekt sein. Die Frage ist aber: Wollen nur WIR das oder wollen das tatsächlich die ANDEREN? Ich weiß es nicht so genau.

    Alles Liebe!

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  3. Danke für diesen Beitrag, der mir wirklich (!) aus der Seele spricht. Leben ist das, was passiert, während man etwas anderes plant. Warum kann man nicht wirklich einfach im HIER und JETZT leben. Wir schenken unseren Kindern etwa 10 Jahre unseres Lebens (danach machen sie eh im Grunde, was sie wollen) – das ist doch nur ein Bruchteil… Und Dinge, die man ohnehin nicht ändern kann, sollten die Seele doch eigentlich nicht so stark belasten. Schade um die verlorene Lebensfreude!

    Herzliche Grüße
    Danielle

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  4. Haha, ich hab heute vormittag gelesen Jungmama und dachte mir, sooo jung ist sie doch auch nicht mehr, die Bella. Aber endlich verstehe ich es, Du meinst miniberlin ist ein Jungspund, richtig? ;)

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    • Haha, du hast es erkannt. Aber schön, dass ich dich den Tag über beschäftigen dürfte. Übrigens: ist man ab 30 alt? :/

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