Nur gucken, nicht anfassen: Wenn Kinder gebissen werden

15. April 2015
familieberlin
Baby | Kleinkind | Mamasein
Kind, Verletzung,

Mein Baby ist verletzt.

Jeden Tag, wenn ich miniberlin aus der KiTa abhole, krabbelt mir mein strahlendes Kind entgegen. Über beide Backen grinsend. Letzte Woche zierte die eine Wange allerdings ein fettes rotes Mal, was abends langsam in blau überging und noch einige Tage dunkelrot zu sehen war: miniberlin wurde gebissen. Mitten ins Gesicht. Hätte sie nicht so fröhlich gewirkt, wäre ich wohl vor Sorge vergangen. Und vor Wut, denn im Kindergarten hat NIEMAND etwas mitbekommen. Mein armes Fussel. So, wie das aussah, hat sie sicherlich geweint. Das muss doch einer merken und sie trösten. Mein Baby muss doch jemand beschützen. Nein, anscheinend nicht. Unabhängig davon, wie ich es finde, dass in diesem kleinen Raum niemand etwas mitbekam, kam mir ein erschreckender Gedanke in dem Zusammenhang: ich kann mein Baby nicht immer beschützen.

Ich kann nicht immer aufpassen

Ich weiß, für manch einen ist das keine Überraschung. Für mich theoretisch auch nicht- aber nach einem Jahr Elternzeit, wo wir quasi oft, viel oder immer zusammen waren, ist das nun eine erschreckende Erkenntnis. Vorher habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Aber nun hatte mein Baby etwas und ich war nicht da. OK, anscheinend war sie auch allein in der gesamten KiTa, aber hey. Und ich werde auch zukünftig nicht immer da sein, wenn sie etwas hat. Wie bereite ich mein Kind darauf vor? Wenn sie fällt, wenn sie sich überschätzt oder von anderen geärgert wird? Ich habe die Angewohnheit, ihr immer viel zu erklären. Warum gerad etwas so und so ist, wieso wir gerade das machen und was gerad falsch läuft, dass es nicht so klappt, wie sie möchte. Ich erkläre es ihr. Behüte ich mein Kind damit zu sehr? Oder bereite ich sie aufs Leben vor und zeige ihr, wie sie mit Situationen umgehen kann? Diese Fragen stelle ich mir seit einiger Zeit.

Mama: chill mal!

Das wundert mich, denn eigentlich kann ich gelassen sein, was mein Kind angeht. Miniberlin plumpst auf den Po? Kein Problem, ist gepolstert. Sie kommt erstaunlich nah an den Sofarand? Nicht schlimm, sie fällt nicht tief. Doch bei dem Gedanken, dass ihr etwas zustößt und ich als schützende Mama nicht da bin, bekomme ich einen Kloß im Hals. Niemand, der ihr erklärt, warum etwas nicht klappte oder wieso die Kinder gerad nicht mit ihr spielen wollen. Und weil ich weiß, wie herzzerreißend sie dann schauen kann, mach das den Kloß nicht kleiner. Wenn ich dann aber daran denke, wie souverän sie mittlerweile fällt, bei ihren tapsigen Versuchen von A nach B zu laufen, weiß ich, dass sie auf einem guten Weg ist, das allein zu schaffen. Denn bis vor kurzem ist dabei noch ihre kleine Welt zusammen gefallen. Sie weiß, dass sie fällt. Und wenn sie dann nicht gleich wieder aufsteht, so krabbelt sie doch weiter ohne eine Träne. Mein großes Baby. Ich merke also, dass nicht sie unbedingt das Baby hier ist, sondern ich. Ich muss groß werden und sie groß werden lassen. Denn per Definition ist miniberlin gar kein Baby mehr.

Ich muss mein Baby ziehen lassen. Ich muss dabei zusehen, wie miniberlin eine Schippe voll Sand ins Gesicht bekommt und wie sie fällt. Ich werde dabei sein, wenn sie zum ersten Mal vom Rad fällt oder sich das Kinn aufhaut. Oder vielleicht werde ich auch nicht dabei sein, weil ich gerad nicht da bin. Doch ich werde da sein, um sie zu trösten und ihre Geschichten zu hören. Um ihr zu sagen, dass es OK ist, wenn sie traurig ist. Dass der Schmerz wieder weg geht, wenn sie soweit ist und dass ich einfach für sie da sein werde. Denn auch wenn ich sie nicht daVOR beschützen kann, so kann ich es doch im Nachgang, oder? Sie in den Arm nehmen und ihr zuhören. Das kann sie heut schon gut, ohne klare Worte ihrem Unmut Luft machen und sich beschweren, warum denn ausgerechnet da ein Spielzeug im Weg lag. So ist sie, mein kleines großes Meckerbaby. Und ich weiß, dass wir auf einem guten Weg sind.

Liebe Grüße
eure Bella

 

4 Kommentare

  1. Oh wei meine liebe Bella, ich kenn das und gerade auch das Beißen. Da passiert dem Kind etwas und man ist nicht dabei – schreckliches Gefühl, aber da müssen wir durch. Ja wir, denn die Minis haben es meist schnell vergessen, passiert einfach so beim groß werden, wir knabbern und durchdenken das….
    Ich sage es Dir, es bringt leider gar nichts und doch gehört es dazu.
    irgendwann werden sie viele Dinge ohne uns tun, doch der Abnabelungsprozess ist schmerzhaft – gerade für uns Eltern ;)

    Lass Dich drücken und sei gewiss – sie werden alle groß, ob wir das wollen oder nicht, wir haben keine Wahl – wir müssen einfach mitgroßwerden :D

    Liebste Grüße
    JesSi Ca

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  2. Liebe Bella,

    ich leide mit Dir und doch weiß ich, dass wir alle, die Muttis und die Kids, das super meistern werden und es okay ist, wenn wir mal nicht dabei sind.
    Die Kinder wissen, das Mama da sein wird zum trösten, zum Tränen trocken. Vielleicht nicht sofort, an Ort und Stelle, aber gewiss beim Wiedersehen!
    Vor ein paar Tagen habe ich zu dem Thema „Ängste und Sorgen“ selbst gebloggt, vielleicht magst du ja mal gucken kommen (www.freiraumkind.de)

    Liebe Grüße ins schöne Berlin
    Bella

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  3. Huaaaah… kann dich so gut verstehen! Ich bin auch so eine Mama die alles erklärt und immer da sein will, zumindest so lange bis sie sich genügend erklären und wehren kann… sie sind ja noch so klein ;) Ein Scheißgefühl, vor allem wenn kein anderer die Rolle übernommen hat. Loslassen ist unsere vielleicht schwerste Aufgabe… ich hab jetzt schon Schiss wie das im KiGa laufen wird ;)

    Liebe Grüße, Frida

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  4. Boah beißen ist auch echt übel… ich finde es auch immer bisschen komisch, wenn ich gar nicht so mitbekomme, was im Waldkindergarten so abgeht, aber naja… mittlerweile geht es :)

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